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Wir haben eine Stimme und wir wollen mitentscheiden

Janne Schmidmann am Mikrofon
Janne Schmidmann am Mikrofon
Foto: privat

Bremen (kobinet) Am 23. März 2025 berichtete das Fernsehmagazin buten un binnen von Radio Bremen über das Engagement der 17jährigen Janne Schmidmann, die sich für eine echte Inklusion in der Schulen einsetzt. Um dieses Ziel zu erreichen spricht und streitet sie mit Lehrer*innen und Politiker*innen und hält Reden vor Tausenden von Menschen. "Wir wollen und wir brauchen ein Bildungssystem, das alle mit einbezieht und niemanden diskriminiert", hatte sie beispielsweise vor kurzem bei einer Demonstration vor 30.000 Teilnehmenden in Bremen verkündet. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul führte mit der jungen engagierten Frau ein Interview, in dem sie u.a. betonte, dass Menschen mit Behinderung – besonders die jungen – nicht länger übersehen, übergangen oder nur symbolisch einbezogen werden dürfen. "Wir haben eine Stimme, wir haben Erfahrungen, wir haben Perspektiven – und wir wollen mitentscheiden. Gerade in Zeiten wie diesen, mit dem wachsenden Rechtsruck und Parteien wie der AfD, die unsere Rechte infrage stellen, ist es wichtiger denn je, dass wir laut bleiben, sichtbar sind und ernst genommen werden. Wir fordern Mitsprache auf Augenhöhe, und zwar jetzt. Denn: Nichts über uns – ohne uns!", betonte Janne Schmidmann im kobinet-Interview.

kobinet-nachrichten: Sie sind 17 Jahre alt und engagieren sich intensiv für Inklusion. Wie kam es dazu?

Janne Schmidmann: Ich habe aufgrund einer Knochenerkrankung eine Behinderung und erlebe in meinem Alltag, aber auch im Alltag meiner Freund*innen oder Geschwister, die auch eine Behinderung haben, immer wieder Barrieren – besonders in der Schule. Irgendwann bin ich sauer geworden, die ständigen Barrieren, das ständige Erklären von der eigenen Behinderung und das ständige am Rand Sitzen, hat dazu geführt, dass ich was tun wollte. Ich habe angefangen, mich mit anderen auszutauschen, zu informieren, mitzureden – und schließlich auch laut zu werden. Es war irgendwie ein Prozess, aber inzwischen ist es für mich völlig selbstverständlich, mich für Inklusion einzusetzen. Und mittlerweile brenne ich wirklich für das Recht auf eine inklusive Gesellschaft und die Chancen, die ich darin sehe. Auch engagiere ich mich intensiv seit ungefähr zwei Jahren bei der Bildungswende JETZT! wo ich für bessere, zukunftsfähige und inklusive Bildung kämpfe, die Bildungswende war so ein bisschen der Startpunkt meines Engagements.

kobinet-nachrichten: Warum ist Ihnen die schulische Inklusion so wichtig?

Janne Schmidmann: Die schulische Inklusion und Inklusion in der Kita ist mir besonders wichtig, weil es ja eigentlich die ersten Schritte zur gesellschaftlichen Teilhabe sind. Andere und ich stoßen immer wieder an Grenzen – einfach nur, weil wir eine Behinderung haben. Schule sollte ein Ort sein, an dem alle Kinder und Jugendlichen gleichberechtigt lernen können. Aber das ist heute leider noch nicht die Realität. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, dass sich das ändert. Dass zukünftig irgendwann Schüler*innen mit Behinderung in die Schule gehen können ohne Angst vor Diskriminierung haben zu müssen. Und Kitas sollten ein Ort sein, wo Kinder gemeinsam spielen und lernen können, ohne dass schon dort erste Stempel aufgedrückt werden. Kita und Schule ist der ideale Ort, um inklusives Leben zu vermitteln und zu üben. Wenn dort Begegnungen stattfinden können und gemeinsames Lernen möglich ist, hoffe ich, dass sich dies im gesellschaftlichen Leben fortsetzt und zur Akzeptanz und Normalität von Vielfältigkeit führt. Und dies brauchen wir ganz ganz dringend auf allen Ebenen angesichts des momentanen Rechtsrucks.

kobinet-nachrichten: Sie hatten schon die Möglichkeit vor vielen Menschen bei Demonstrationen und Kundgebungen zum Thema Inklusion zu sprechen. Wo war das und wie war das für Sie?

Janne Schmidmann: Mittlerweile war das schon ganz häufig. Meine erste Rede habe ich im September 2023 auf einer Pressekonferenz der Bildungswende JETZT! in Berlin gehalten. Ich erinnere mich noch genau daran, wie unfassbar nervös ich war. Ich glaube, ich habe meine Reisebegleitung damals echt in den Wahnsinn getrieben. Nur kurze Zeit später habe ich dann zum ersten Mal vor tausenden Menschen gesprochen – das war ein unglaubliches Gefühl. Seitdem habe ich viele Reden gehalten, besonders hier in Bremen, meiner Heimatstadt, aber auch in Berlin und Hamburg. Auch bei Online-Pressekonferenzen war ich schon dabei. Meine Reden waren dabei zu ganz verschiedenen Themen, meistens zur Inklusion in Schule, zu Rechten von Menschen mit Behinderung, zur Teilhabe von uns jungen Menschen mit Behinderung, oder zu Mitbestimmung von Schüler*innen und auch warum nachhaltige Bildung für den Klimaschutz so wichtig ist. Vor jeder Rede frage ich mich ehrlich gesagt immer noch, warum ich mir das antue – aber ich glaube, ein bisschen Nervosität gehört einfach dazu. Und ich weiß ja, warum ich das mache.

kobinet-nachrichten: Haben Sie das Gefühl, dass junge Menschen mit Behinderungen gehört werden bzw. dass sich etwas bewegt?

Janne Schmidmann: Das ist eine sehr schwierige Frage, finde ich. Ich persönlich bin der Meinung, dass junge Menschen mit Behinderung im Allgemeinen noch viel zu wenig gehört werden. Es bewegt sich gerade viel, wenn man sich die Rechte von uns Menschen mit Behinderung anschaut, doch ich würde auch hier sagen, dass es sich sehr unterschiedlich entwickelt – und zwar auch in verschiedene Richtungen. In Entscheidungsprozessen gehen vor allem wir jungen Menschen mit Behinderung immer wieder unter. Es wird Zeit, dass uns zugehört wird und wir mit einbezogen werden.

Im politischen Bereich, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem aktuell so akuten Rechtsruck, würde ich sagen, dass es sich dort eher rückwärts bewegt. Der aktuelle Rechtsruck, auch durch die AfD, ist gefährlich für uns Menschen mit Behinderung, da menschenfeindliche Ideologien, wie sie von dieser Partei vertreten werden, oft mit einem ausgrenzenden Menschenbild einhergehen, das unsere Rechte, unsere Teilhabe und unsere Existenz als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft infrage stellt.

Ein anderes Beispiel, bezogen auf Schule: In meiner Heimatstadt Bremen gibt es fast gar keine Förderschulen mehr. Doch dieser Fakt führt nicht automatisch zur Inklusion in den sogenannten Regelschulen. Es fehlt an Personal sowie an räumlichen und strukturellen Möglichkeiten, um in der Schule echte Inklusion zu verwirklichen. Somit sind die Schüler*innen zwar nicht mehr auf einer Förderschule, sitzen aber häufig auch an Regelschulen in getrennten Klassenräumen und haben nur Kunst oder Musik gemeinsam mit den anderen. Das ist keine INKLUSION!

kobinet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, welche wären dies?

Janne Schmidmann: Wenn ich zwei Wünsche frei hätte, dann würde ich mir als Erstes wünschen, dass Inklusion in Schule und Gesellschaft nicht länger nur ein schönes Wort oder ein politisches Schlagwort bleibt – sondern endlich gelebte Realität wird. Dass wirklich alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen, spielen und aufwachsen können – unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Dass Barrieren abgebaut werden – in Köpfen, in Gebäuden, in Systemen – und dass niemand mehr an den Rand gedrängt wird. Inklusion darf kein Kompromiss sein, sondern muss ein Menschenrecht sein, das endlich konsequent umgesetzt wird!

Mein zweiter Wunsch wäre, dass Menschen mit Behinderung – besonders wir jungen – nicht länger übersehen, übergangen oder nur symbolisch einbezogen werden. Wir haben eine Stimme, wir haben Erfahrungen, wir haben Perspektiven – und wir wollen mitentscheiden. Gerade in Zeiten wie diesen, mit dem wachsenden Rechtsruck und Parteien wie der AfD, die unsere Rechte infrage stellen, ist es wichtiger denn je, dass wir laut bleiben, sichtbar sind und ernst genommen werden. Wir fordern Mitsprache auf Augenhöhe, und zwar jetzt. Denn: Nichts über uns – ohne uns!

kobinet-nachrichten: Und wie geht es für Sie persönlich weiter? Was haben Sie vor?

Janne Schmidmann: Ich freue mich sehr auf alles, was kommt! Aktuell unterstütze ich in Bremen die Organisation der Demo am 5. Mai zum Europäischen Protesttag für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Im Sommer werde ich gemeinsam mit der Bildungswende auf einem Festival einen Vortrag über Inklusion in der Schule halten.

Im September organisiere ich zusammen mit dem Schüler*innenrat der Inklusion Bremen einen Fachtag zum Thema „Gesehen werden – Inklusion fängt bei mir an“. Auch weitere Aktionen sind in Planung, aber teilweise noch nicht öffentlichkeitsbereit. Ansonsten werde ich auf jeden Fall weiterhin bei der Bildungswende JETZT! aktiv sein und mich dort für bessere inklusive Bildung einsetzen.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Link zum Bericht von buten un binnen vom 23. März 2025