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Wir brauchen einen Infrastruktur-Booster – aber nicht auf Kosten der Teilhabe

Nico Wunderle
Nico Wunderle
Foto: privat

München (kobinet) Das geplante Sondervermögen für Verteidigungsausgaben und Infrastruktur ist aktuell ein großer Streitpunkt. Nach Ansicht von Nico Wunderle darf das Sondervermögen nicht dazu führen, dass die Teilhabe marginalisierter Gruppen zu kurz kommt. Trotz der Verankerung des Benachteiligungsverbots im Grundgesetz (Artikel 3) sind Barrieren im Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrssystem weiterhin präsent, schreibt Nico Wunderle in seinem Kommentar zum Sondervermögen.

Kommentar von Nico Wunderle

Das geplante Sondervermögen für Verteidigungsausgaben und Infrastruktur ist aktuell ein großer Streitpunkt. Dabei geht es um das Sondervermögen für Infrastruktur und Verteidigung, mit dem die Union und SPD ein kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von zehn Jahren planen. Dieses soll Investitionen in Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Zivil- und Bevölkerungsschutz, Bildung, Krankenhäuser sowie Digitalisierung ermöglichen.100 Milliarden Euro davon sollen direkt an die Länder und Kommunen fließen. Ziel ist es, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken und die Verteidigungsfähigkeit auszubauen, wobei die Schuldenbremse entsprechend gelockert werden soll.

Hieraus könnte sich eine große Chance für eine Neugestaltung der Infrastruktur ergeben. Kritisch ist jedoch die unterschiedliche Gewichtung von Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben. Während Milliarden für Verteidigung zur Verfügung gestellt werden und die Schuldenbremse quasi aufgelöst wird, bedeutet das Sondervermögen für Infrastruktur zusätzliche Schulden, die zurückgezahlt werden müssen. Sicherlich ist es notwendig, genug Geld für die Sicherheit bereitzustellen, aber Investitionen in die Zukunft dürfen nicht zweitrangig sein. Grundsätzlich kann bezweifelt werden, ob das dogmatische Festhalten an der gesetzlichen Schuldenbremse vorteilhaft ist oder nicht irgendwann zum Nachteil wird, weil sich ein immer größer werdender Investitionsstau in der Infrastruktur aufbaut. Der Ökonom Marcel Fratzscher bezeichnet das Sondervermögen als „notwendiges Übel“, um die Infrastruktur anzukurbeln. Er sagt aber auch, dass Sondervermögen nicht die Lösung sind, sondern nur sinnvoller als gar nicht zu handeln. Besser wäre eine Reform der Schuldenbremse.

Schließlich sind Sondervermögen nur dann sinnvoll, wenn sie einmalige und außergewöhnliche Ausgaben finanzieren. Hier sollen sie jedoch strukturelle und dauerhafte Mehrausgaben des Staates für Infrastruktur und Verteidigung ermöglichen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Deutschland in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich mehr Geld für beide Bereiche benötigen wird.

Ebenfalls problematisch bei Sondervermögen ist die fehlende Transparenz, da die Regierung so ohne Einbezug des Parlaments über das Sondervermögen verfügen kann. Leider ist nicht vollständig geklärt, was zum Sondervermögen Infrastruktur gehört und was nicht. Außerdem gilt zu beachten, dass Milliardenkredite auf Bundesebene nicht ausreichen, da Bundesländer und Kommunen hoch verschuldet sind. Deshalb wäre eine Reform der Schuldenbremse viel sinnvoller.

Zusammengefasst
Das Sondervermögen ist ein wichtiger Mindestschritt, um dem Investitionsstau entgegenzuwirken. Leider ist zu befürchten, dass dadurch echte Reformbemühungen an der Schuldenbremse auf die lange Bank geschoben werden.

Die Bemühungen um ein weiteres Sondervermögen sind jedoch mit heißer Nadel gestrickt, da die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung keineswegs gesichert ist. Die Union gab sich im Wahlkampf noch als Verteidigerin der Schuldenbremse und konnte sich jetzt zumindest zu einem Sondervermögen durchringen. Die SPD konnte einen Minimalerfolg einfahren, indem überhaupt ein erneutes Sondervermögen ins Spiel gebracht wurde. Die eigentlich vorgesehene Reform der Schuldenbremse sollte aber anders aussehen.

Die Grünen halten sich zurück, während FDP, AfD und Linke die Finanzierungspläne aus verschiedenen Gründen ablehnen. Es bleibt spannend, ob die Grundgesetzänderung im Bundestag durchgeht. Es bleibt aber zu hoffen!

WICHTIG
Das Sondervermögen darf nicht dazu führen, dass die Teilhabe marginalisierter Gruppen zu kurz kommt. Trotz der Verankerung des Benachteiligungsverbots im Grundgesetz (Artikel 3) sind Barrieren im Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrssystem weiterhin präsent.

Die geplanten Investitionen könnten langfristig Ressourcen binden, die auch zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung beitragen. Die Mehrausgaben dürfen aber keine Begründung sein, um anderweitig an Inklusion zu sparen. Ohne gezielte Mittelzuweisungen besteht die Gefahr, dass Inklusionsmaßnahmen weiter ins Hintertreffen geraten. Kritiker betonen, dass eine nachhaltige Gesellschaft nicht nur auf Wirtschaftswachstum und Verteidigung, sondern auch auf soziale Teilhabe angewiesen ist.

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