Menu Close

Stellungnahme zur Kritik an Assistenz-App hvv custom

Infozeichen
Info blau
Foto: Susanne Göbel

Hamburg (kobinet) Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) hat Anfang Februar 2025 Kritik an der Einführung der Assistenz-App "hvv custom" geübt. Trotz der Ankündigung, Menschen mit Behinderungen den öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern, bleibe die App weit hinter den Erwartungen zurück. Eine echte barrierefreie Mobilität erfordere mehr als eine digitale Lösung, so die Kritik des BSVH, die die kobinet-nachrichten im Bericht vom 5. Februar 2025 aufgegriffen haben. Der Pressesprecher von vhh.mobility | Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH hat auf den Beitrag reagiert und eine Stellungnahme geschickt, die die kobinet-nachrichten im Folgenden veröffentlichen:

Stellungnahme von vhh.mobility:

„hvv Custom“ wurde mit der Zielsetzung entwickelt, wichtige Fahrgastinformationen visuell und auditiv so zu vermitteln, dass seh- und höreingeschränkte Fahrgäste sie erhalten und verstehen können. Aktuelle Apps im Nahverkehr sind für die größtmögliche Zahl an Nutzer*innen entwickelt worden und entsprechen aktuellen Nutzungs- und ästhetischen Vorlieben, die jedoch für unsere seh- und höreingeschränkten Fahrgäste die Folge haben, diese nur eingeschränkt nutzen zu können.

hvv Custom bietet nun erstmalig eine Lösung, die das oben genannte Ziel erfüllt. Unseren Recherchen zufolge gibt es kein vergleichbares Angebot in Deutschland. Der Funktionsumfang ist einmalig, und die App wurde gezielt so entwickelt, dass sie auch über den hvv hinaus von anderen Nahverkehrsunternehmen und Verbünden eingesetzt werden kann.

Gleich zu Anfang des Projekts wurden bereits existierende Ansätze analysiert und bewertet. Wir halten jeden Vorstoß für wünschenswert, um seh- und höreingeschränkte Fahrgäste bei der Nutzung des ÖPNV zu unterstützen. Das Ergebnis unserer  Analyse zeigt jedoch, dass eine App den größtmöglichen Nutzen für die Zielgruppe ermöglicht, weil sie schnell skalierbar ist und damit großflächig eingesetzt werden kann. Ansätze wie zum Beispiel Knöpfe und Lautsprecher an Haltestellen bieten nur Lösungen, die direkt an der Haltestelle funktionieren. Sie sind lediglich statisch nutzbar und es stellt insbesondere blinde Nutzer*innen vor Herausforderungen, den Taster am Mast der digitalen Fahrtanzeige zu suchen (die im Übrigen nicht an allen Haltestellen verbaut ist). Hier ist die App in Nutzung und Funktionsumfang überlegen.

Während der dreijährigen Projektlaufzeit haben wir von Anfang an den Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg eingeladen, das Projekt zu begleiten. Das Angebot wurde durch mehrere Vertreter wahrgenommen, die sich mit Feedback und Ideen eingebracht haben. Einige der 72 seh- und höreingeschränkten Menschen, die wiederholt die Prototypen der App getestet haben, kamen über das Netzwerk des Vereins. Die finale App ist barrierefrei und erfüllt durchgehend das Zwei-Sinne-Prinzip. Die gesamte App lässt sich vorlesen oder visuell anpassen. Der Funktionsumfang übertrifft jede uns bekannte Lösung. Darüber hinaus ist die Funktion „Fahrtanmeldung und Wunschausstieg“ exklusiv für „Custom“ entwickelt worden. Bestehende Apps wie die herkömmliche hvv App verfügen nicht über diese Funktion. Genau genommen handelt es sich um eine Besserstellung der hvv Custom-Nutzenden, die zum aktuellen Zeitpunkt nur unter erheblichen technischen und personellem Aufwand ermöglicht werden kann.

Die Funktion ist jedoch nicht erforderlich für die Einhaltung des Zwei-Sinne-Prinzips noch für das maßgebliche BITV-Siegel. Alle involvierten Projektteilnehmer*innen haben deshalb die finale App unserem Projektteam gegenüber positiv bewertet. Auch die Vertreter*innen des Vereins haben die Funktionen vor dem Start von Custom getestet und für gut befunden.

Unter den 72 seheingeschränkten Testusern haben sich auch Senior*innen befunden, die ausnahmslos bereits ein modernes Smartphone in Nutzung hatten. Für Senior*innen, die Hilfestellung bei der Einrichtung und Nutzung benötigen, bieten wir dezidierte Sprechstunden an.

Erst gestern, 8 Wochen nach Testbeginn und nach dem Start von Custom, erreichte uns das Feedback durch den Verein bezüglich des Fahrttrackings. Hier werden wir einen Banner einsetzen, dass die Daten eine Abweichung haben können.

Das Projekt hat von Anfang an zum Ziel gehabt, einen Modus Seh- oder Höreinschränkung zur Verfügung zu stellen. Dies ist dem Verein bekannt gewesen. Nichtsdestotrotz können im Gehörlosenmodus ebenfalls die visuellen Änderungen vorgenommen werden. Eine dritte Schaltfläche „Seh- und Gehörlosenmodus“ ist bei der weiteren Entwicklung denkbar. Dieses Feedback erreichte uns jedoch bisher leider nicht durch den Verein, sondern durch den Artikel von „Rollingplanet“. Hätten die beteiligten Personen diese Anforderung eher kommuniziert, hätten wir sie im Rahmen des Projektes umsetzen können.

Wir sind einigermaßen verwundert über die Kritik des Vereins. Sie steht im Gegensatz zu dem Feedback während der Entwicklungsphase und dem Feedback der seh- und hörbehinderten Nutzer*innen, das uns erreicht und die App zusammengefasst als deutlichen Fortschritt zu dem bisher vorhandenen Angebot bezeichnet. Wir verfolgen den Plan, die App Custom weiter zu entwickeln und laden den Verein herzlich ein, die Weiterentwicklung von Custom produktiv und im Sinne der Zielgruppe zu begleiten. Wir wünschen uns den direkten Austausch und stehen gern für persönliche Gespräche zur Verfügung.

Link zum kobinet-Bericht vom 5. Februar 2025 mit der Kritik des BSVH, der Ausgangspunkt für die Stellungnahme ist