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Sigrid Arnade ägert sich über schwache Antwort der Bundesregierung zur MRT-Terminvergabe

Prof. Dr. Sigrid Arnade
Prof. Dr. Sigrid Arnade
Foto: H.-Günter Heiden

Berlin (kobinet) Die Antwort auf eine Anfrage, dass der Bundesregierung keine validen Erkenntnisse darüber vorliegen, dass es oftmals weder über die Terminvergabe der Krankenkasse noch im elektronischen Terminbuchungsverfahren kurz- oder langfristig einen MRT-Termin gibt, sobald das Merkmal "behindert" bekannt wird, und dass die Regierung hiergegen auch nichts Wesentliches zu tun gedenkt, das hat Prof. Dr. Sigrid Arnade enorm geärgert. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe hatte eine Meldung der kobinet-nachrichten vom 7. Januar 2025 (s. https://kobinet-nachrichten.org/2025/01/07/wie-ist-es-um-die-facharztversorgung-behinderter-menschen-bestellt/) zum Anlass für eine parlamentarische Frage an die Bundesregierung (s. https://kobinet-nachrichten.org/2025/01/14/nachgefragt-in-sachen-facharztversorgung-behinderter-menschen/) genommen. Über die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Sabine Dittmer, vom 15. Januar 2025 (s. https://kobinet-nachrichten.org/2025/01/16/bundesregierung-liegen-keine-validen-erkenntnisse-zur-vergabe-fuer-barrierefreie-mrt-termine-vor/) sprach kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul mit Sigrid Arnade, die federführend im Bündnis barrierefreies Gesundheitswesen aktiv ist.

kobinet-nachrichten: Wie ordnen Sie die Reaktion der Bundesregierung politisch ein?

Sigrid Arnade: Diese Antwort ist ein Armutszeugnis für unsere Bundesregierung, die immerhin vor 16 Jahren die UN-Behindertenrechtkonvention ratifiziert hat. Ihr ist es aber offensichtlich völlig egal, dass diese gerade im Gesundheitsbereich immer noch nicht annähernd umgesetzt wird.

kobinet-nachrichten: Wie kommen Sie zu diesem harschen Urteil?

Sigrid Arnade: Referiert wird lediglich die aktuelle Gesetzeslage und eine Situation, wie sie wünschenswert wäre und sein sollte. Dass sie aber nicht so ist, wie sie sein sollte, wird schlichtweg ignoriert. „Vogel-Strauß-Politik“ kann man das auch nennen: Kopf in den Sand stecken und Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen.

kobinet-nachrichten: Immerhin wird auf den Aktionsplan des Bundesgesundheitsministeriums verwiesen. Ist das denn nichts?

Sigrid Arnade: Wer sich mit diesem Papier beschäftigt hat, weiß, dass es sich weitgehend um eine Ansammlung von nichtssagenden Absichtserklärungen und Ankündigungen handelt. Davon hat noch kein einziger behinderter Mensch einen dringend benötigten Facharzttermin.

kobinet-nachrichten: Was bedeutet diese Antwort auf der emotionalen Ebene für behinderte Menschen?

Sigrid Arnade: Da kann ich nur für mich sprechen: Ich empfinde sie als Schlag ins Gesicht von Menschen mit Behinderungen. Den Subtext kann man doch auch so lesen: „Ob behinderte Menschen eine halbwegs adäquate gesundheitliche Versorgung in Deutschland bekommen oder nicht, interessiert die Bundesregierung überhaupt nicht. Sie ist auch nicht gewillt, auf etwaige Missstände zu reagieren. Da haben behinderte Menschen eben Pech gehabt.“

kobinet-nachrichten: Was für eine Antwort der Bundesregierung hätten Sie sich denn gewünscht?

Sigrid Arnade: Ich hätte mir gewünscht, dass die Vorfälle ernst genommen werden, ihnen nachgegangen wird und für Betroffene entweder eine auskunftsfähige Ansprechstelle genannt oder eine garantierte Kostenübernahme für vergleichbare Fälle ausgesprochen wird.

kobinet-nachrichten: Damit war aber doch nicht wirklich zu rechnen, oder?

Sigrid Arnade: Es wäre ja auch ein Mittelweg möglich gewesen. Und die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.

Hintergrund:

Hubert Hüppe hatte folgende Anfrage an die Bundesregierung eingereicht „Ist der Bundesregierung bekannt, dass es nach Angaben von Betroffenen (vgl. https://kobinet-nachrichten.org/2025/01/07/wie-ist-es-um-die-facharztversorgung-behinderter-menschen-bestellt/) oftmals weder über die Terminvergabe der Krankenkasse noch im elektronischen Terminbuchungsverfahren kurz- oder langfristig einen MRT-Termin gibt, sobald das Merkmal ‚behindert‘ bekannt wird, und plant die Bundesregierung Maßnahmen, um diese Versorgungslücke zu schließen, und wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?“

In der Antwort des Bundesministerium für Gesundheit an Hubert Hüppe heißt es: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine validen Erkenntnisse vor. Es wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 75 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung der Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung für alle gesetzlich krankenversicherten Personen obliegt. § 75 Absatz 1a SGB V stellt zudem klar, dass der Sicherstellungsauftrag ebenfalls eine angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der vertragsärztlichen Versorgung beinhaltet. Hierzu haben die KVen die Versicherten im Internet in geeigneter Weise bundesweit einheitlich (siehe unter www.116117.de) über die Sprechstundenzeiten der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und über die Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zur Versorgung (Barrierefreiheit) zu informieren. Zudem haben sie Terminservicestellen (TSS) zu betreiben, die bei Vorlage einer entsprechenden Überweisung einen Termin innerhalb von einer Woche mit einer maximalen Wartezeit von vier Wochen vermitteln müssen. Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind aufgrund ihrer Zulassung zur Erbringung der Leistungen verpflichtet, auf die Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung einen gesetzlichen Anspruch haben. Gemäß § 13 Absatz 7 Bundesmantelvertrag-Ärzte dürfen sie die Behandlung eines gesetzlich Versicherten nur in bestimmten Gründen ablehnen. Relevant sind hier insbesondere die sogenannten begründeten Fälle. Diese können sich aus patientenindividuellen Aspekten ergeben (insbesondere Störung des Vertrauensverhältnisses) oder aufgrund einer tatsächlich bestehenden Überlastungssituationen der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes vorliegen. Eine bestehende Behinderung stellt hingegen grundsätzlich kein Grund für die Ablehnung einer Behandlung dar.“

Und weiter schrieb das Bundesgesundheitsministerium: „Der Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen, der am 2. Dezember 2024 vom Bundesministerium für Gesundheit veröffentlicht wurde, zeigt zudem konkrete Maßnahmen auf, um beispielsweise in Arztpraxen den Abbau von Barrieren zu fördern, die barrierefreie Kommunikation weiterzuentwickeln oder weitere spezielle Angebote für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen. Als weitere Maßnahme wurde im Aktionsplan festgehalten, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen im Sicherstellungsauftrag der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung explizit hervorgehoben werden sollen.“