Staufen (kobinet) Achtung, hier folgt nicht nur eine Hommage an die alten Herren Knecht Ruprecht und Sankt Nikolaus, sondern auch eine PR-Aktion für die kommende Literaturbeilage „Crip Storytelling Matters – Behindertengeschichten zählen“. Darin gibt es eine westdeutsche Nikolausgeschichte aus der Frühzeit der alten Bundesrepublik und eine ostdeutsche Ex-Punkerin erzählt bzw. schreibt ihre TV-Story fort. Außerdem vergnügliche Miniaturen von einem Marburger Blinden und einem Schweizer Rollstuhlfahrer. – Und nun noch ein Wort zum politischen Stellenwert des Erzählerischen in dieser Zeit des behindertenpolitischen Stillstands im herkömmlichen Politikbetrieb.
Eididaus zum Ersten
„Eididaus heut ist Nikolaus, vor einem Monat ging die Ampel aus“ – nicht die vorne bei der Kreuzung, sondern die im Berliner Regierungsviertel. Der kleine Vers ist eine Nachdichtung des berühmten Vorläufers, „an Nikolaus ist die Groko aus“. Der Verfasser dieses Originals, vielleicht erinnert sich noch jemand, ist kein anderer als Kevin Kühnert, einstmaliger Shootingstar der sozialdemokratischen Jugend. Wen von uns hoffnungsfroh auf das Ampel-Bündnis blickenden behindertenpolitisch Aktiven und Engagierten befällt nach dem vorzeitigen Ende der verholperten verstolperten Ampelperformance nicht doppelte Wehmut beim Gedanken an gerade diesen Protagonisten, der bereits vor dem Debakel das Handtuch geworfen hat. Er meldete sich sozusagen „politkrank“. Zeichen einer für den professionellen Politbetrieb eher ungewohnten Sensibilität, nicht unsympathisch. Hoffen wir, dass sich sein Leiden nicht chronifiziert. Falls doch, soll er, dann ein berufsbedingt chronisch Kranker, in unserer Community willkommen sein. Gern auch mal mit einem Beitrag für die kobinet-Literaturbeilage, zu erzählen hätte er ja was.
Eididaus zum Zweiten
„Eididaus, die Luft ist raus“ – nicht aus dem Fahrrad- oder dem Rollstuhlreifen, sondern aus allem Politoptimismus, dem allgemeinpolitischen wie dem behindertenpolitischen. Symbolpolitisches Schönreden und knallharter Machterhaltungsopportunismus sind zu Haupteigenschaften der Politikerpolitik geworden. Uneingelöste Versprechen, Problemaufschiebung allenthalben, Unglaubwürdigkeit breitet sich aus wie Schimmelpilz. Da werden auch auf Seiten des Aktivismus der Glaube, etwas verändern und bewirken zu können und die entsprechenden Parolen irgendwann kraftlos und fad. Appelle, dennoch dran zu bleiben und die Hoffnung nicht zu verlieren, mögen gut gemeint sein, dürften aber kaum etwas ausrichten gegen die politisch-psychologischen Frustrationsschäden, Resignation und Zynismus.
Letzteren, also Zynismus, meint Raul Krauthausen immer öfter bei sich zu entdecken oder zu spüren. So in seinem Podcast-Gespräch (Im Aufzug) mit Marc-Uwe Kling über die aktuelle Panikpolitik in Sachen Migrationsnotstand. Dass nicht Migration und Messerlängen, sondern eben diese Pseudopolitik und ihre DarstellerInnen die Katastrophe sind, darüber sind sich beide einig. Und in seiner professionellen Eigenschaft als Comedian und Geschichtenerzähler, praktiziert Marc-Uwe Kling auch schon den uns zu Gebote stehenden Abwehrzauber. Der in der Hauptsache aus menschenfreundlichem Humor, befreiendem Lachen und intelligentem Geschichtenerzählen besteht. Ein wirksames Antidot gegen politische Verbissenheit und entpolitisierende Resignation, den Absturz in Hoffnungslosigkeit und Depression gleichermaßen.
Eididaus zum Dritten
Eididaus, welch ein Geschichtenschmaus! Je nach Bilderreichtum des Erzählten auch ein innerer Augenschmaus und überdies ein Ohrenschmaus, werden die Geschichten durch Vorlesen zum Hören gebracht. – Womit auch für das Crip-Storytelling ein Ideal bezeichnet wäre, das uns beim Schreiben vorschweben sollte, das zu unterbieten aber keine Katastrophe bedeutet. Ideale haben es so an sich, dass man sich ihnen mehr oder weniger annähert. Erreicht werden sie selten. Wäre auch schrecklich, gäbe es immer und überall nur Klassenbeste.
Wer sich nun zum Mitmachen ermutigt fühlt, den oder die möchte die Literaturbeilagen-Redaktion noch mit folgendem Hinweis bestärken: man muss keine Studium in kreativem Schreiben hinter sich gebracht haben, mitbringen sollte man allerdings Bewusstheit im Umgang mit Sprache und Stil literarischer Texte und bereits etwas Übung im Schreiben von Erzähltexten, bei denen es auf Ausdruckskraft der Worte und Sprachbilder ankommt. – Die nächste Ausgabe steht schon und erscheint am Montag, den 16.Dezember.