Stuttgart (kobinet) Für die Landesbehindertenbeauftragte von Baden-Württemberg, Simone Fischer, ist die Sache klar: "Wir brauchen in Baden-Württemberg zeitgemäße Voraussetzungen und Zugänge, die von Beginn an so gestaltet sind, dass gemeinsames Aufwachsen und Lernen selbstverständlich sind und dies zu einem Gelingensfaktor für gute Bildung wird." Was die Landesbeauftragte bereits im Mai 2024 in einer Antwort auf einen offenen Brief klargestellt hat, scheint vielen in Baden-Württemberg nicht klar zu sein. Im Rahmen Pressekonferenz der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg wurde nun erneut versucht, Inklusion umzudefinieren, so dass der exkludierende Unterricht in den Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) erneut schön geredet und als Teil der Inklusion verkauft wurde. Beifall dafür gab es nicht nur von der CDU, sondern auch von der AfD.
„Die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren unterscheiden sich nach den Förderschwerpunkten Lernen, geistige Entwicklung, Hören, körperliche und motorische Entwicklung, Sehen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung sowie Schüler in längerer Krankenhausbehandlung und orientieren sich in ihrer Arbeit an eigenen Bildungsplänen sowie, entsprechend der Bildungsgänge, an den Vorgaben der jeweiligen Bildungspläne der allgemeinen Schulen. Sie können nach § 15 Absatz 5 SchG auch Schülerinnen und Schüler ohne Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot aufnehmen, wenn die personellen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind“, so heißt es auf der Internetseite des baden-württembergischen Kultusministeriums zu diesen „Sonderangeboten“ in Baden-Württemberg. Und weiter heißt es dort: „Beratung, Diagnose und Unterricht sind die zentralen Aufgaben der sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ). Diese führen je nach Förderschwerpunkt die Bildungsgänge der allgemeinen Schulen.“
Link zu den Infos des baden-württembergischen Kultusministeriums
„Inklusion ist mehr als gemeinsamer Unterricht. Bildungschancen und gesellschaftliche Teilhabe an sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren in Baden-Württemberg“. So heißt es in der Überschrift in der Einladung der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg zur Landespressekonferenz, die am 2. Dezember 2024 stattfand. Und weiter heißt es: „Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember möchte die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen auf die Bedeutung der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (frühere ‚Sonderschulen‘) für die Bildungschancen und Teilhabemöglichkeit von Kindern und Jugendliche mit
Behinderungen hinweisen. Politisch wird die schulische Inklusion, nach Auffassung der AGFS, aktuell zu stark reduziert auf die Inklusion in Regelschulen. In einem aktuellen Positionspapier zeigt die AGFS die Konsequenzen eines verengten Inklusionsverständnisses und der daraus resultierenden politischen Konsequenzen.“
Die Pressekonferenz und die Positionen sind bei der CDU auf offene Ohren gestoßen:
Link zur Reaktion des baden-württembergischen CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Sturm
Aber auch von der AfD gab es Applaus:
Link zur Reaktion der AfD auf die Pressekonferenz
Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer stellte in einem Interview im ARD-Morgenmagazin vom 4. Dezember 2024 ab Minute 2:08 die schulische Inklusion in Frage. „Die Inklusion zum Beispiel funktioniert inhaltlich sowieso nicht gut. In der Praxis sagen Lehrer und Eltern: ‚wir sind nicht zufrieden.‘ Vielleicht sind die Sonderschulen doch die bessere Lösung gewesen? Sie sind sehr sehr viel günstiger als dieses neue System.“
Link zum ARD-Interview mit Boris Palmer vom 4. Dezember 2024
So stellt sich die Frage, ob die UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrem Rechtsanspruch auf schulische Inklusion im Südwesten der Republik entweder noch nicht angekommen ist oder die Menschenrechte dort außer Kraft gesetzt werden.