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Für einen Wahlkampf der Taten statt weiterer Ankündigungen

Ottmar Miles-Paul
Ottmar Miles-Paul
Foto: Irina Tischer

Berlin (kobinet) Am 23. Februar 2025 wird voraussichtlich die vorgezogene Bundestagswahl stattfinden. So bleiben den Bundestagsabgeordneten noch ca. 80 Tage um ihre Hausaufgaben zu machen, vor allem ihre Hausaufgaben in der Behindertenpolitik. Denn da ist in den letzten Jahren so manches liegengeblieben. Vieles, was vor allem der Ausschuss der Vereinten Nationen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention von Deutschland fordert, harrt also weiterhin der Umsetzung. Angesichts der üblichen Ankündigungs- und Kritikmeldungen zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember plädiert kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul für einen Wahlkampf der Taten statt weiterer Ankündigungen, was man irgendwann mal tun müsste oder möchte, wenn man nur (wieder) gewählt wird. Vor allem die Abgeordneten von SPD, den Grünen, aber auch von der CDU/CSU könnten nun zeigen, wie man fraktionsübergreifend für klare Regelungen zur Barrierefreiheit, zum Gewaltschutz oder für inklusive Beschäftigungsmöglichkeiten behinderter Menschen sorgen kann. Immerhin gelang es schon vor geraumer Zeit in 80 Tagen um die Welt zu reisen, vielleicht geht in 80 Tagen ja auch was in Sachen Behindertenpolitik im Bundestag?

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

„Macht einfach nur euren Job“, so hallt es immer lauter durch die Republik, wenn es um die behindertenpolitischen Maßnahmen geht, die zwar im Koalitionsvertrag recht klar verankert, aber bisher nicht umgesetzt wurden. Damit ist gemeint, dass die Bundestagsabgeordneten, die sich sonst so gerne auf die Vorarbeit der Ministerien verlassen, aber selbst eine Reihe von Möglichkeiten haben, Gesetzentwürfe in den Bundestag einzubringen, mit dem Bruch der Koalition aus SPD, Grünen und FDP nicht aus der Verantwortung und schon gar nicht ihrem Job stehlen dürfen. Sie sind die gewählten Vertreter*innen, die noch bis zum 23. Februar 2025 einiges bewegen können, wenn sie sich zusammenraufen, fraktionsübergreifend nach Lösungen und Mehrheiten suchen und damit das tun, was gewählte Vertreter*innen in einer Demokratie eigentlich tun sollten.

Vor allem, wenn, wie beim Thema Barrierefreiheit schon seit Monaten ein Entwurf für die Reform des Behindertengleichstellungsgesetz vorliegt. Auch in Sachen Gewahlthilfegesetz oder bei der Reform des Kinder- und Jugendhilferechts zur Inklusion sind die politischen Prozesse schon sehr weit. Dass es Schnittmengen gibt, das sieht man, wenn man sich die Anträge der CDU/CSU aus der Oppositon heraus während der letzten drei Jahre anschaut. Auch wenn die Behindertenpolitik der CDU/CSU nach wie vor von bloßer Bewusstseinsbildung und Förderprogrammen statt konkreter gesetzlicher Regelungen und Anforderungen geprägt ist, hat sie sich beispielsweise in Sachen Verpflichtung privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit für ihre Verhältnisse kräftig aus dem Fenster gelehnt und müsste nun bei den Hörner gepackt werden, um noch konkrete Regelungen zu erreichen. Denn für behinderte Menschen ist jeder Tag mit Barrieren und mit Diskriminierungen ein Tag zu viel. Da kommt es gar nicht gut, dass sich die CDU/CSU nunmehr schon seit Wochen jeglicher konkreter Gespräche für gemeinsame Lösungen verweigert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätte es da schon mindestens zwei Abmahnungen angesichts dieser Arbeitsverweigerung gehagelt, wenn nicht schon die Kündigung ausgesprochen worden wäre.

In einem Antrag vom 28. November 2022 im Bundestag forderte die CDU/CSU beispielsweise unter dem Motto „Mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inkklusiven Sozialraum“ unter II.2. die Bundesregierung auf:

„mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren die Schaffung von angemessenen Vorkehrungen nach Artikel 2 UN-BRK auch im Privatbereich verpflichtend im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) einzuführen, dies zu verbinden mit einer Überforderungsklausel, die bei rechtlicher und/oder tatsächlicher Unmöglichkeit (z.B. Denkmalschutz/wirtschaftliche Überforderung) keine Verpflichtung vorsieht und korrespondierend dazu in § 19 AGG zu regeln, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen zur Herstellung von Barrierefreiheit eine Benachteiligung darstellt, ….“

Das wäre ja schon einmal eine, wenn auch eingeschränkte, Verhandlungsgrundlage, denn auch die SPD und die Grünen wollen schließlich die Einführung angemessener Vorkehrungen. Wenn man sich die Presseerklärung des Teilhabebeauftragten der CDU/CSU Bundestagsfraktion zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, Wilfried Oellers, aber genauer anschaut, bleibt die Union bei bewusstseinsbildenden Maßnahmen, Förderprogrammen und Appellen hängen. Vielmehr könnte er sich auf das besinnen, was aus der Opposition heraus immer wieder gefordert wurde und ins Gespräch mit der SPD und den Grünen gehen.

Messen wir also die Akteur*innen an ihren Taten statt Ankündigungen im kommenden Wahlkampf. Auch wenn es nicht einfach ist, hier noch Kompromisse zu erreichen und Regelungen zu beschließen, in der Vergangenheit ist vieles noch auf der Zielgeraden gelungen – warum auch nicht dieses Mal? Bloße Ankündigungspolitik war auf jeden Fall gestern. Wetten, wie bei der Reise in 80 Tagen um die Welt, möchte ich allerdings nicht auf die Handlungsfähigkeit unserer Abgeordneten im Bundestag, denn diese haben sich in behindertenpolitischer Hinsicht in der Gesamtbewertung in den letzten Jahrzehnten ganz selten mit Ruhm bekleckert.