Berlin (kobinet) Die politischen Turbulenzen nach dem Bekanntwerden der internen Ausstiegspläne der FDP aus der Ampelkoalition, in denen vom "D-Day" und von einer "offenen Feldschlacht" die Rede ist, lassen auch behinderte Menschen und ihre Verbände aufhorchen. Während immer wieder gepredigt wurde, wie wichtig Aufklärung und Bewusstseinsbildung in Sachen Nichtdiskriminierung und Barrierefreiheit auch in der Politik ist, stellt sich nun die Frage, ob die Blockade einiger der FDP-geführten Ministerien bei der Reform des Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG) und durch das Nichts-Tun bei der Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Teil dieser Ausstiegsstrategie der FDP war. Denn vor allem in den letzten Wochen wurde der schon längst fertige Entwurf für die Reform des Bundesbehindertengleichstellungsgesetz immer wieder vom FDP-geführten Bundesjustizministerium blockiert. Intern war sogar von einer persönlichen Blockade von Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP die Rede. Nun soll dieser Marco Buschmann Generalsekretär der FDP werden.
Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul
Seit Jahren betreiben Behindertenverbände Aufklärungsarbeit für die Reform des Behindertengleichstellungsgesetz und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Vor allem geht es dabei um die Verpflichtung privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit und zu angemessenen Vorkehrungen. Ein Vorhaben, das von der FDP zwar über Jahre hinweg stets blockiert, aber immerhin von ihr mit in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Ein im Koalitionsvertrag verankertes Vorhaben, das vielen behinderten Menschen, die ständig auf Barrieren stoßen, Hoffnung machte. So wurde in den letzten drei Jahren aufgeklärt, informiert, Gespräche geführt – und das auch mit FDP-Vertreter*innen. Anscheinend war das alles für die Tonne. Denn, wenn eine der drei Koalitionsparteien etwas nicht will obwohl das in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen wurde, dann kann sie dies anscheinend auch durchsetzen, wie die Behindertenverbände nun mit dem endgültigen Bruch der Ampelkoalition erleben mussten.
Und da bleibt nun mit dem veröffentlichten FDP Strategiepapier für den Ausstieg aus der Ampelregierung mit Begriffen wie „offene Feldschlacht“ ein gehöriges Geschmäckle. Die Vermutung liegt dabei nahe, dass die FDP und vor allem das von ihr geführte Bundesjustizministerium, aber auch das Bundesfinanzministerium null Interesse daran hatte, weitere Regelungen für Unternehmen einzuführen – und schon gar nicht zur Barrierefreiheit und Nichtdiskriminierung. Dann hätte die FDP das auch gleich im Koalitionsvertrag klar stellen sollen und nicht schöne Worte reinschreiben. So bleibt ein fader Nachgeschmack und erheblicher Ärger über die unnötige Arbeit mit Menschen, die nur so tun als nähmen sie behinderte Menschen und ihr Recht auf Gleichberechtigung ernst, als achteten sie wirklich das in Artikel 3 verankerte Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen.
Es bleibt aber auch Ärger darüber, dass die anderen beiden Koalitionspartner SPD und Grüne die Reform des Behindertengleichstellungsgesetz auf die lange Bank geschoben und nicht stärker für die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gekämpft haben. Auch wenn es nun schwer werden dürfte, noch etwas durch den Bundestag zu bringen und dafür die nötigen Mehrheiten zu finden, können sie immer noch beweisen, dass ihnen die Belange behinderter Menschen wirklich am Herzen liegen – und das ohne FDP und ohne die von ihr verwässerten Gesetzentwürde.
Ich halte von solchen Spekulationen nichts und mit seriösen Nachrichten hat das auch nichts zu tun.
Es ist wichtig, zwischen Fakten und Meinungen zu unterscheiden, gerade bei so sensiblen Themen. Der Artikel steht nicht unter „Nachrichten“, sondern wurde in der Rubrik „Meinung“ veröffentlicht und dient dazu, Hintergründe kritisch zu beleuchten und Denkanstöße zu geben. Spekulationen mögen nicht jedem gefallen, doch sie können dazu beitragen, politische Zusammenhänge sichtbar zu machen und Diskussionen anzuregen.
Die Frage, ob die Blockadehaltung der FDP bei wichtigen Reformen Teil einer Strategie war, verdient es, gestellt zu werden – nicht zuletzt, weil die betroffenen Gesetze für viele Menschen mit Behinderungen von großer Bedeutung sind.
Solche Debatten sind ein essenzieller Teil unserer Demokratie.