Berlin (kobinet) Wieder geht eine Woche zu Ende, ohne dass der längst versprochene und vorliegende Referentenentwurf für die Reform des Behindertengleichstellungsgesetz für mehr Barrierefreiheit vorliegt. Wieder eine Woche in der die Diskriminierer und nicht die Diskriminierten geschützt werden. Wie aus internen Kreisen zu vernehmen ist, hakt es vor allem an der FDP, genauer gesagt am Bundesjustizministerium, das die Freigabe des Entwurfs zur Anhörung der Verbände und der Länder blockiert. Und auch beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verzögert das Bundesjustizministerium trotzt konkreter Versprechungen immer weiter die Reform des Gesetzes. Die anhaltende Diskriminierung, und die vielen Barrieren, die nicht beseitigt werden, haben also einen Namen: "Marco Buschmann", der amtierende Bundesjustizminister. "Schämen Sie sich Herr Buschmann", ist daher die Botschaft von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul in seinem Kommentar zum Wochenende.
Kommentar von Ottmar Miles-Paul
Schämen Sie sich Herr Buschmann!
„Schämt Euch – Shame on you!“ Dies hatten Eltern, die sich für eine inklusive Bildung einsetzen, auf ihr Transparent geschrieben, mit dem sie Ende August 2023 vor den Vereinten Nationen in Genf anlässlich der Staatenprüfung Deutschlands für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention protestierten. Was vor einem Jahr für die schleppende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland galt, das gilt heute, gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, umso mehr. Denn immer noch warten behinderte und benachteiligte Menschen auf die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag. Mehrfache Ankündigungen, sogar ein Kanzlerwort, dass die Reform des Behindertengleichstellungsgesetz schnell kommen und auch private Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zu angemessenen Vorkehrungen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden sollen, scheinen an den Mauern des Bundesjustizministeriums abzuprallen. Aufgrund dieser massiven Blokadehaltung bleibt mit nur zu sagen: „Schämen Sie sich Herr Buschmann“. „Schämt euch von der FDP, dass euch die Diskriminierer wichtiger zu sein scheinen als die Diskriminierten!“
Schämen sollten sich die Untätigen in Sachen Verbesserung der Barrierefreiheit und der Verbesserung des Diskriminierungsschutzes vor allem deshalb, weil sie damit eine Gesellschaft aufrecht erhalten bzw. befördern, in der Menschen völlig unnötigerweise ausgeschlossen werden, bzw. ihnen die Teilhabe erschwert wird. Sie tragen letztendlich dazu bei, dass Inklusion verhindert und behindert wird. Das kann nicht im Sinne unserer demokratischen Gesellschaft sein. Und das ist auch nicht förderlich für eine aktive Gesellschaft – und schon gar nicht die Aufgabe eines Bundesjustizministeriums.
Während behinderte Menschen oder andere benachteiligte Gruppen in der Regel diejenigen sind, die ihre Gleichberechtigung einfordern (müssen), müssten ganz andere aktiv sein. So auch das Bundesjustizministerium. Ist es nicht die Aufgabe eines Justizministeriums, darauf zu achten, dass alle Menschen zu ihrem Recht kommen, dass beispielsweise Artikel 3 Abs. 3 des Grundgestzes umgesetzt wird. Dieser besagt nun schon seit fast 30 Jahren, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. „Macht einfach euren Job und macht den gut!“ Rufe ich deshalb den Beschäftigten des Bundesjustizministeriums und vor allem Marco Buschmann, dem zuständigen Minister, zu. Denn es kann nicht sein, dass sich die Behindertenverbände über Jahre hinweg krumm legen müssen, damit der Auftrag unserer Verfassung endlich umgesetzt und nicht weiter mit Füßen getreten wird. Jedes Zögern in diesem Bereich spielt zudem denjenigen in die Hände, denen die Gleichstellung und Teilhabe benachteiligter Gruppen schnurz sind.
Seit einigen Wochen kann ich aufgrund massiver Ischias- und Hüftschmerzen erleben, was es bedeutet Treppen hochklettern zu müssen oder weite Umwege zu gehen, weil Gebäude oder Wege nicht barrierefrei sind. Jeder dieser Schritte löst einen Schmerzimpuls aus, der mich über die Barrierenbauer grollen lässt. Seit Wochen überlege ich, ob und wie ich meinen Job aufgrund dieser vielfältigen Barrieren noch schaffe. Wer also, wie die FDP will, dass Menschen möglichst lang tätig sind und ihren Beitrag für diese Gesellschaft leisten, gerade der sollte, endlich die Bedingungen schaffen, die auch eine gesellschaftliche und berufliche Teilhabe ermöglichen.
„Schämt euch für eure Untätigkeit und vor allem für eure Blokadepolitik. Schämt euch vor allem auch im Namen all derjenigen, die zukünftig noch mit Barrieren und Diskriminierungen konfrontiert werden! Macht euren Job und sorgt dafür, dass die Im Koaltionsvertrag verankerten Maßnahmen auch umgesetzt werden, wenn ihr wollt, dass man euch vertraut!“
Würde man bei allen Belangen INKLUSION von vorne herein (also schon bei der PLANUNG) dann wüprde man extrem an Kosten sparen……
Dadurch das man es aber nicht tut, warum auch immer, muss man dann halt nachrüsten, nacharbeiten und nachverhandeln….. Das erfordert nun mal Kosten………..
Es liegt, meiner meinung nach, demnach, mal wieder an der Orga….Wie sooft…..
Aufgrund der klammen Haushaltskassen in Bund und Land, sollte eigentlich auch unseren Politikern klar sein, dass Barrierefreiheit für alle langfristig kostengünstiger ist, als die Überlastung von Leistungserbringern im Sozialsystem! Denn Assistenzen, Pflegekräfte, Betreuer uvm. können teilweise eingespart werden, wenn diese gesetzliche Vorgaben erfüllt wären und die Betroffenen mit Hilfen zur Selbsthilfe selbständiger weiter kämen…
Ich als Frau mit Wahrnehmungsrest benötige daher manchmal nur eine Assistenz um mich in ein Konto einzuloggen, manchmal aber auch für alle Auswahlen im Kundenkonto.
Gleiches gilt bei frast allen öffentlichen Stellen. Da wurde mir vor kurzem trotz dreimaligem Mailwechsel das Formularbild der Homepage am Ende per Post geschickt. Selbstverständlich in Schwarzschrift… Und jetzt brauche ich ja wieder Assistenz um den Zettel auszufüllen!
Gut gekontert Ottmar – gib Herrn Buschmann ne Frist für eine Woche. Dann hilft wohl nur eins: Dauerbesetzung des Ministerium analog dem amerikanischen Vorbild zur Entstehung der dortigen Antidiskriminierungsgesetzung in den 1990er Jahren