Plau am See (kobinet) Von Flensburg bis zum Bodensee finden gegenwärtig dutzende von Demonstrationsveranstaltungen gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD statt. Seitdem „Correctiv“ über das Treffen von Rechtsaußen berichtete, ist, so scheint es, für viele Deutsche die Sofaecke keine Option mehr. Auf Biedermanns Dachboden tut sich was. Und mittlerweile weiß Herr Biedermann auch, wer da oben sein Unwesen treibt...
Von Flensburg bis zum Bodensee finden gegenwärtig dutzende von Demonstrationsveranstaltungen gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD statt. Seitdem „Correctiv“ über das Treffen von Rechtsaußen berichtete, ist, so scheint es, für viele Deutsche die Sofaecke keine Option mehr.
Das Narrativ, dass man von einer möglichen Menschenverachtung und einer unter Umständen partiell tatsächlich irgendwie vorhandenen Demokratiefeindlichkeit der AfD und ihrer Sympathisantinnen nichts gewusst habe, ist nicht länger aufrecht zu erhalten. Wegsehen und Verharmlosen haben sich gerächt. Wie immer.
Auf Biedermanns Dachboden tut sich was. Und mittlerweile weiß Herr Biedermann auch, wer da oben sein Unwesen treibt.
Welchen Rat kann man Herrn Biedermann geben? Sollte er sein Haus verkaufen? Oder vielleicht die Bodentür verriegeln? Sollte er sich Mut antrinken und dann mal mit kleinem Besteck vorsichtig auf den Dachboden schleichen? Einfach Heizung und Strom abstellen und warten, bis sich oben nichts mehr regt? Die offene Konfrontation suchen? Vom Hausrecht Gebrauch machen?
Ganz ohne Optionen ist er nicht, der brave Herr Biedermann. Da drängt sich schon die Frage auf, ob seine Reaktion, panisch auf die Straße zu rennen, das Gelbe vom Ei ist. Und, dass auch der Nachbar eine unerwünschte Einquartierung meldet, macht es nicht besser, auch wenn es schön ist, auf Solidarität und Verständnis gestoßen zu sein.
Wenn sich also nun zunehmend die Frage stellt, wie man den „Schwung der Demonstrationen“ nutzen kann, um aus dem „Nie wieder!“ ein „Niemals wieder!“ zu machen, dürfte klar sein, dass das, was Herr Biedermann bisher unternommen hat, nicht ausreichen wird.
So bunt und vielfältig das auch alles aussehen mag, ist es doch kaum mehr als das legendäre Pfeifen im Walde. Herr Biedermann macht sich Mut und hofft, dass das seinen Gegnern Furcht einflößt.
Aus der Geschichte aber kann er wissen, dass es (wieder!) nicht reichen wird. Mut und Selbstvertrauen sind nicht ausreichend, sein Problem zu lösen, sie sind allerhöchstens eine Voraussetzung dazu.
Es geht um Konfrontation. Er benötigt eine Strategie, wie er seine unliebsamen Gäste, die offensichtlich noch nicht am Ende ihrer Pläne sind, wieder loswird.
Er kann unmöglich das sein, was er im Überschwang als „Brandmauer“ bezeichnet. Eine Demokratie, die es ermöglicht, dass sie von einer Minderheit bedroht verhöhnt und in die Knie gezwungen werden kann, tut sich und denen, die ihr vertrauen, keinen Gefallen. Im Gegenteil.
Es gibt in aufgeklärten Gesellschaften keine Alternative zur Demokratie. Es ist deshalb nicht nur recht und billig, sondern zwingend geboten, dass ihre gewählten Vertreter*innen „Brandmauern“ implementieren, die ihr Überleben sichern.
Ob das die 5%- Hürde, das Demonstrationsrecht, das Streikrecht oder die bunte Welt der angeblich „sozialen“ Medien ist. Es braucht Mut Augenmaß und Entschlossenheit der politischen Akteure.
Wenn, wie in Bautzen jüngst geschehen, ein Demonstrant zur Einhundertsiebenundfünfzigsten Montagsdemonstration eine Kettensäge in Betrieb nimmt und demonstrativ damit in der Luft herumfuchtelt, dann ist nicht Herr Biedermann die Brandmauer, sondern ein Demonstrationsrecht, das eine Grenze zieht, zwischen Meinungsäußerung und Bambule. Wer Einhundertsiebenundfünfzig Montage in einer Kleinstadt demonstrieren geht, der will wohl etwas anderes, als zum 157 Mal seine Meinung kundzutun.
Ob Deutschland am Hindukusch oder sonst wo verteidigt wird, mögen Andere beurteilen. Sicher aber ist, dass die Demokratie zu Hause verteidigt wird. Und sicher ist auch, dass das nicht die Aufgabe von Herrn Biedermann ist. Er ist Bürger und keine Brandmauer! Diese Aufgabe fällt denen zu, denen er seine Stimme gegeben hat und die zugesagt haben, sich für sein und das Wohl seiner Nachbarn einzusetzen.
Wenn Bauern, die über Jahre mit Steuerentlastungen Preise realisieren konnten, die nicht marktfähig sind und im europäischen Durchschnitt viel zu niedrig sind, nun öffentliche Unterstützung aufgekündigt ist und sie zu Preiserhöhungen gezwungen sind, die ein realistischeres Abbild geben, dann ist das nicht wirklich eine Katastrophe.
Und im Übrigen kommt Glyphosat nicht aus gesundheitlichen Erwägungen zum Einsatz, sondern als Ertragsbooster derer, die ihr Geld mit der Bewirtschaftung des Landes verdienen.
Wenn Herr Biedermann erfährt, dass aufgebrachte Landmänner und -frauen nicht nur Herr Habeck zurück auf See geschickt haben, sondern, dass sie auch Verlags- und Pressehäuser blockieren, weil sie sich von der Presse nicht richtig verstanden fühlen, dann ist das ein Arbeitsauftrag an die Politik und keine Einladung an Herrn Biedermann zu einem gemütlichen Happening mit bunten Transparenten vor irgendwelchen Druckhäusern und Verlagen.
Und wenn Herr Biedermann bei seiner Überlandfahrt auf mit Gießkannen und Gummistiefeln verzierte Ortsschilder stößt, ist es nicht seine Aufgabe, hier für Recht und Ordnung zu sorgen. Vielleicht können ja klamme Kommunen Werbeflächen an ihren Ortsschildern zu kleinen Preisen vermieten. Wäre doch mal was.
Die Absichten des Mannes, der einst als Agent in Dresden seine Rubel verdiente, bestehen nicht nur in Muskelspielchen und Rangeleien auf internationaler Bühne, sondern sie zielen ganz klar auch auf eine Destabilisierung des Wohnquartiers von Herrn Biedermann.
Die gegenwärtig zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen gegen rechts bleiben ein Pfeifen im Walde, wenn die Politik sie nicht in Arbeitsaufträge zur Verbesserung der Demokratie versteht. Und da darf es ruhig ruckeln und hakeln und da dürfen ruhig Positionen ausgelotet und Standpunkte abgeglichen werden. Aber am Ende muss etwas geschehen.
Unangenehmer als ein Vollbrand des Biedermann‘schen Hauses kann das nicht werden…
Super Beitrag! Sehr anschaulich und verständlich.
Wäre eine gute Argumentationsgrundlage für unsere „Volksvertreter“ auch politische Bildung für alle (Jugendliche, Erwachsene, Senioren) anzubieten und alle zu befähigen mit Argumenten zu diskutieren.
Ich hab’s in der Schule jedenfalls nicht gelernt.