Staufen (kobinet) „Rock gegen Rechts“ gibt es seit den 1990er Jahren. Vorneweg mit dabei Udo Lindenberg vom Panikorchester. In den 2010er Jahren sind „Omas gegen Rechts“ hinzugestoßen. „Behinderte gegen Rechts“ seien, man gewähre ihnen solch Bitten, in diesem Bunde die Dritten. Denn wenn spätestens jetzt bei aufrechten Demokrat*innen die Alarmglocken schrillen, so tun sie es um etliche Dezibel heftiger bei denjenigen unter ihnen, die „traditionell“ eine Zielgruppe rechter und faschistischer „Sonderbehandlung“ sind.
Wie es am besten anpacken, sich als Behinderte gegen Rechte zur Wehr setzen? Mit Trillerpfeifen und Sprechchören Kundgebungen und Wahlveranstaltungen der Rechtspopulisten stören? Als Widerstands- oder Protestform für uns Behinderte vielleicht nicht die beste oder erste Wahl. Öffentliche Manifestationen mit einer gewissen Chance auf mediale Sichtbarkeit setzen einen Vorlauf an breiterem organisatorischem Zusammenschluss und einen Grad an Mobilisierungsfähigkeit voraus, wie sie innerhalb der Milieus behinderter Menschen nicht gegeben sind. Woran sich fürs erste auch nichts ändert, wenn der an sich richtige Appell des Behinderten-Podcasters Sascha Lang an die Behinderten-Community, „Arsch hoch und Zähne auseinander“ von dem oder der einzelnen Behinderten tatsächlich gehört und sich zu Herzen genommen wird. Ihr jeweils individueller Aktivitätsbeitrag zur „wehrhaften Demokratie“ gegen Rechts könnte weiterhin einzig darin bestehen, in der Wahlkabine sein Kreuzlein nicht bei diesen Totengräbern der Demokratie zu machen. Und im übrigen online dagegenzuhalten, auf Facebook, Instagram und Co. die „richtigen Inhalte“ zu posten, Bilder und Texte teilen, die Aufklärung und Empowerment voranbringen.
Wenn es also mit öffentlichen, gar spektakulären Aktionen aus der Behindertenszene heraus zunächst nichts werden dürfte, was könnten dann die organisatorischen Nuklei, die aktivistischen Kerne, die es ja doch erlauben von einer Behindertenbewegung zu sprechen, dennoch kurzfristig tun, um eine aktuelle Initiative „Behinderte gegen Rechts“ auf die Beine zu stellen? Intern im jeweiligen Freundes- und Bekanntenkreis, in seiner Behinderten-Selbsthilfegruppe, im Aktivisten- oder sonstigen Graswurzelkreis das Thema und seine momentane politische Brisanz in den Blick nehmen und debattieren. Wie wir es beispielsweise gerade innerhalb der lobinet-Redaktion versuchen. Mit den hier gewonnen Eindrücken, Überlegungen, Schlussfolgerungen und ggf. Aktionsvorhaben mit anderen lokalen Gruppen (überregionalen) Kontakt aufnehmen und speziell unter dem Fokus „Behinderte gegen Rechts“ die Vernetzung suchen und stärken. Was mehr und anders bedeutet, als interne Verlautbarungen oder Statements auf der eigenen Plattform ins Netz zu stellen. Man muss einander dazu über den eigenen Gruppentellerrand hinaus auch zuhören und auf Mails antworten. Vorerst liegen aber weder Positionspapiere noch spruchreife Aktionsideen vor, oder täusche ich mich?
Bislang jedenfalls bin ich bei meiner Netzrecherche im Behindertenumfeld lediglich auf einige Einzelstimmen und ihre Beiträge gestoßen. Zum Beispiel, allerdings von institutioneller Seite, die Erklärung des Sprechers der Lebenshilfe Ostallgäu anlässlich des örtlichen Auftritts eines einschlägig bekannten Rechtspopulisten und Oberdemagogen. Im Mittelpunkt der Erklärung die „Bitte an alle Bürger“, der Partei des Betreffenden die Unterstützung zu verweigern, „wir sagen Nein zu jeglicher Ideologie der Ungleichheit von Menschen“. – Luisa LAudace, eine dem Aktivistinnenkreis der „Angry Cripples“ angehörende Publizistin, hat ein Video gemacht zur „Sonderbehandlung“ von Behinderten und chronisch Kranken im Nationalsozialismus (Drehort die Gedenkstätte im hessischen Hadamar 2022). Die Einzelkämpferin Nadine Rockstein hat Materialien zur NS-Geschichte und zum Rechtspopulismus uns Behinderte betreffend zusammengestellt. Und ich selber schrieb bereits 2021 den autobiografischen Essay „Ewiger Faschismus in der Provinz – Chronik einer Existenzvernichtung“, dessen grundsätzlicher Teil leider nichts an Aktualität verloren hat (zu beziehen über meine Redaktionsmail: [email protected]).
Wie ich meinen persönlichen „Behinderten-Opa gegen Rechts“ performe
Natürlich wage ich mit meinen 73 Lenzen bei allem jugendlichen Überschwang keine allzu großen Sprünge. Der TV-Highperformer Markus Lanz hat sich jüngst in seinem ZDF-Talk über ein Bauernprotestplakat echauffiert, mit der Aufschrift „Hände weg vom Agrardiesel“ und der Abbildung einer Mistgabel. Nun mach mal halblang, Markus, hätte ich ihm am liebsten zugerufen. Trotzdem hat er mich auf eine Idee gebracht. Mir ein Schild zu malen mit der Aufschrift „Behinderter Opa gegen Rechts“ und daneben die Abbildung eines nach oben gereckten Blindenstocks, dessen Kugelende abmontiert und durch ein aufgepflanztes Pappmache-Bajonett ersetzt ist. Bildunterschrift: Hände weg vom Blindengeld! – Schon mal prophylaktisch sozusagen, denn wenn ich höre, wie Jens Spahn (ebenda bei Lanz) und andere CDU-Granden gegen das Bürgergeld vom Leder ziehen, so schwant mir mittelfristig für das Blindengeld nichts Gutes.
Mit diesem meinem Plakat setze ich mich dann vors Staufener Rathaus und warte ab, was geschieht. Ob mich die irgendwann herbeigerufene Polizei zum Weitergehen auffordert. Oder ob nicht bereits vor einem Einschreiten der amtlichen Ordnungshüter der aufgeweckte Staufener Bürgersinn energisch auf den Plan tritt, weil ihm meine penetrante Anwesenheit ein Dorn im Auge ist. Ein ausgesprochen „unschönes“ Detail im ansonsten makellosen Stadtbild, das dem einträglichen Tourismusaufkommen abträglich sein könnte. Und mithin geradezu nach sofortiger Abhilfe schreit, nach couragiertem Handanlegen. – Der Reinlichkeitsungeist des „ewigen Faschismus“ lauert schließlich in so mancher Provinzecke, wo ihn keiner vermutet, am wenigsten die ortsansässigen Biedermänner und -frauen.