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Weiter so?

Grafik zeigt Ausschnitt des Buchcovers
Ausschnitt aus dem Cover des Buches
Foto: sch

Berlin (kobinet) Die Ampelkoalition soll per Gesetz die Werkstätten für behinderte Menschen modernisieren. Ziel sei die ganzheitliche Teilhabe am Arbeitsleben, war heute zu lesen. Also weiter so? Das jüngst erschienene Buch über die Brandstiftung in einer Werkstatt und ihre Folgen wird lebhaft diskutiert. Der Berliner Hobbychronist und Rechtsanwalt Martin Theben hat es für kobinet rezensiert:

In seinem Nachwort zum Reportage Roman mit dem etwas sperrigem Titel ZÜNDELN AN DEN STRUKTUREN outet sich der Autor Ottmar Miles-Paul als Stephen King-Fan, dessen Romane er und seine Co-Autorin Katrin Grund verschlingen würden. Das kommt sicher nicht von ungefähr: In seinen Romanen lässt der Meister des Horrors immer wieder auch Menschen mit Behinderungen als bedeutende Charaktere auftreten. Sei es der gehörlose Nick Andros ( The Stand), Douglas Cavell ( Duddits) der das Down-Syndrom hat oder der Autist Seth Gerrit (Regulator), sehr oft sind sie die Helden, die das Böse mehr oder minder erfolgreich bekämpfen. Dabei werden sie (meistens) nie der Lächerlichkeit preisgegeben oder überhöht dargestellt.

Den Protagonist*innen in dieser Geschichte scheint es da anders zu ergehen. Sie sind Brandstifter und kommen mit ihrer Tat davon. Doch das Autorenteam lässt mit jeder Zeile keinen Zweifel daran aufkommen, dass die drei Täteri*nnen als Held*innen Helene Weber, Bernd Friedrich und Klaus Kriske verstanden werden sollen. Denn natürlich dient die Brandstiftung eher als Metapher für den Kampf gegen aussondernde Strukturen.

Die Leser*innen erfahren sehr wenig über die Tat als solche, ihre Planung und wie es genau dazu kam. Aus der Perspektive jedes einzelnen wird nur mitgeteilt, dass man die ständigen Demütigungen und Ungerechtigkeiten nicht mehr länger ertragen habe können. Aber was genau den Funke überspringen ließ, wie die Tat vorbereitet wurde, die sicherlich spannende Interaktion zwischen den Tatbeteiligten, ihre bestehenden inneren Zweifel wird weder berichtet noch literarisch erzählt. Es ist nicht einmal klar wie genau sie aussehen, wenn gleich ihre jeweilige Behinderung recht anschaulich beschrieben wird. Die eine oder andere Insider*in mag da bekannte Akteure der Behindertenbewegung erkennen.

Ansonsten ist die Charakterführung aber manchmal etwas hölzern. Und dass sich am Ende trotz des Neubaus einer noch größeren Werkstatt alles in wohlgefallen aufzulösen scheint und jeder der Beteiligten eine positive Entwicklung durchmacht einschließlich der co-Autoren Katrin Grund wirkt auf mich dann doch fast kitschig und lebensfremd. Auch hier fehlt es meines Erachtens an literarisch fiktionalen Elementen.

Nun nimmt Ottmar Miles-Paul sich selbst und Katrin Grund im Nachwort in Schutz und dem potentiellen Rezensenten den Wind aus den Segeln indem er zugesteht, dass beide (noch) keine Schriftsteller seien und sicher noch viel zu lernen hätten. Kritik an Satzbau Kommassetzung oder mangelndem literarischen Stil würden sie als Ansporn betrachten. Diese Bescheidenheit hätten beide aber gar nicht nötig. Den dieses Buch ist ohne jeden Zweifel eben nicht nur eine gut geschriebene Reportage über die Folgen inklusionsfeindlicher Strukturen, sondern ein literarisches Werk:

Einen der Hauptcharaktere, die angehende Journalistin Katrin Grund, im Laufe der Geschichte in die Autorin des Romans zu verwandeln, ist ein gleichermaßen beachtlicher wie sehr gelungener literarischer Kunstgriff, noch dazu in einem Roman Debüt. Auch der Einstieg in die Geschichte, in dem rückblickend aus Sicht der drei Täter*innen die Tat berichtet und in Ansätzen deren innere Haltung – für Helen Weber fühlt es sich an wie nach gutem Sex – erzählt wird, weckt die Neugier der hoffentlich noch zahlreicher werdenden Leser*innenschaft. Und ganz nebenbei und selbstverständlich wird ein Tabu berührt – Behinderung und Sexualität. Das ist schon literarisch meisterhaft!

Außerdem wohnen wir durchaus sehr spannenden Szenen bei, etwa wenn sich die Haupttäterin der Autorin offenbart oder wenn Kathrin Grund auf die Entscheidung der drei Täter*innen wartet, ob diese ihr Romanprojekt unterstützen. Allerdings wäre man hier gerne Mäuschen gewesen. Das den Leser*innen die Teilhabe an dieser Aussprache vorenthalten wird ist schade. Hätte dies vielleicht doch Gelegenheit zu so mancher Charakterstudie der Romanheld*innen geboten.

Auf jeden Fall aber wurden wir nicht nur Zeuge einer Brandstiftung, sondern der Entstehung eines völlig neuen Genres – Disability Crime! Dieser Roman macht Lust auf mehr schreit förmlich nach einer Fortsetzung und spornt hoffentlich viele andere Menschen mit Behinderungen dazu an den Literaten in sich von der Kette zu lassen. Nein es braucht keinen Horror Clown um Spannung zu erzeugen. Es reicht schon ein engagiertes, inklusives Autorenduo, das weiß was es tut, in dem Falle worüber es schreibt… Weiter so!

Weitere Informationen zum Erwerb des Romans „Zündeln an den Strukturen“ von Ottmar Miles-Paul und Katrin Grund gibt’s unter folgendem Link:

https://www.epubli.com/?s=Z%C3%BCndeln+an+den+Strukturen

Mit der ISBN-Nummer 9783757579388 gibt es den Roman im Buchhandel.

Die ISBN-Nummer für das E-Book lautet: 9783757579760

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