Menu Close

Auf unverbindlichen Wegen zur Barrierefreiheit

Weg über eine historische Steintreppe
Mühevoller Weg zur Barrierefreiheit
Foto: H. Smikac

BERLIN (kobinet) Barrierefreie Bedingungen im öffentlichen Raum sind für sehr viele Menschen hilfreich. Insbesondere jene, denen barrierefreie Bedingungen das Leben erleichtern oder bestimmte Möglichkeiten, wie den Zugang zu einem Geschäft oder einem Museum überhaupt erst ermöglichen, gehen sehr aufmerksam durch die Straßen. Dabei begegnen ihnen viele abgesenkte Bordsteinkanten, Haltestellen mit niveaugleichen Einstiegsmöglichkeiten, Schrägen vor Gebäuden und sogar auch Wegabschnitte mit Bodenindikatoren - auch wenn diese am Ausgang des Bahnhofs gleich enden, aber es gibt sie. Aber es gibt ebenso sehr viele Orte an denen es alles das überhaupt nicht gibt. Da fragt man sich dann schon: Woher kommen diese markanten Unterschiede in einem Land, in welchem doch wohl die gleichen Gesetze gelten ?

Meine Suche nach Antworten auf diese Frage hatte an einer viel frequentierten Autobushaltestelle begonnen. Sie war gesperrt und sollte umgebaut werden. Da eine etwa 500 Meter entfernte weitere Haltestelle bereits barrierefrei umgebaut worden war, schien mir die Hoffnung begründet, in Zukunft nun auch hier mit meinem Rollstuhl von einer barrierefreien Haltestelle abfahren zu können. Die Bauarbeiten wurden durchgeführt, die Haltestelle wurde wieder freigegeben und – wie man in Berlin so sagt: „Typischer Fall von Denkste !“ Die Halltestelle war genau so wenig barrierefrei wie zuvor.

Was war also mit „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ ? Was war mit Artikel neun der UN-Behindertenrechtskonvention ? Was war mit dem Aktionsplan zur Umsetzung dieser Konvention ? Was war mit dem Straßengesetz des Landes, welches die Verpflichtung enthält:“…die Straßen…zu verbessern; dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange, insbesondere des Fußgänger-, Radfahrer- und Behindertenverkehrs sowie des öffentlichen Personennahverkehrs … zu berücksichtigen“ ? Wäre das zu teuer geworden ? Dann hätte man die Möglichkeiten eines noch bis in das Jahr 2025 laufenden Förderprogrammes zum barrierefreien Ausbau von Haltestellen nutzen können.

Zu meinen vielen Fragen hatte mir ein Experte für barrierefreies Bauen dann erklärt, dass die von mir angeführten Gesetze wichtige Grundlagen sind, für die Bauausführung jedoch entscheiden ist, dass Maßgaben wie die DIN für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, die DIN für barrierefreie Kontrast und die DIN zu Bodenindikatoren im öffentlichen Raum in dem Planerhonorarvertrag enthalten sind. Das wird zum Bauauftrag festgelegt,, steht das nicht in diesem Vertag, muss nicht so gebaut werden. Also muss ich davon ausgehen, dass der vertragliche Bauauftrag nicht meinen Hoffnungen entsprochen hatte.

Nun hatte ich dabei von der Möglichkeit erfahren, dass die zuständigen Gebietskörperschaften per Erlass festlegen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich diese Normen als Grundlagen des Bauens zu nehmen sind. Daraus ergab sich für mich die Frage, wieviele Gebietskörperschaften das eigentlich sind. Das war eine Frage für den Deutschen Landkreistag. Die Antwort der Pressestelle kam sofort und bestand neben einem Verweis auf die Broschüre `„Vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV“ Hinweise für die ÖPNV-Aufgabenträger zum Umgang mit der Zielbestimmung des novellierten PBefG` darauf, dass die regelmäßige Baulast bei Haltestelle bei den Gemeinden liegt. Beim Landkreistag besteht dazu keine Übersicht.

Also wieder keine Antwort. Bleibt ja noch eine Möglichkeit: Das PBefG – das Personenbeförderungsgesetz mit der Verpflichtung, „…für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen“. Endlich ein verbindlicher Termin ! „Weiterlesen!“ hat mich in dem Zusammenhang der Jurist müde aber schelmisch angelächelt. Und der Mann hatte recht. Denn wer weiterliest, findet auch folgenden Satz: „Die in Satz 3 genannte Frist gilt nicht, insofern in dem Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden“. Egal ob wirklich ein guter Grund oder lediglich eine gute Ausrede, es gibt durchaus auch die Möglichkeit, von dieser Frist abzuweichen.

Nach der Beschäftigung mit allen diesen Fragen stellt sich mir eigentlich nur noch eine Frage: Können wir wirklich darauf vertrauen, dass unsere Umwelt auch auf diesen unverbindlichen Wegen einmal eine barrierefreie Umwelt sein wird ?