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Diskriminierung bei der Blutspende?

Nahaufnahme von einem Arm einer Person, die gerade Blut spendet.
Blutspenden werden knapp, da die Spendenbereitschaft sinkt.
Foto: michellegordon - pixapay https://pixabay.com/de/photos/blut-blutspende-medizinisch-spender-5427229/

Berlin (Sozialhelden) Sozialheld*innen starten Umfrage zur Diskriminierung behinderter Menschen bei der Blutspende

Wer Blut spendet, leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung und kann im Zweifel sogar Leben retten. Laut einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben 47 % aller Erwachsenen in Deutschland bereits einmal Blut gespendet. Dennoch warnte das Deutsche Rote Kreuz im Juni vor einem Mangel an Blutkonserven und einer sinkenden Spendenbereitschaft.

Die Anforderungen an Spender*innen sind auf den ersten Blick nicht sehr hoch: Wer mindestens 18 Jahre alt ist und mehr als 50 kg wiegt, kommt grundsätzlich für eine Blutspende infrage. Doch ganz so einfach ist es doch nicht, denn das medizinische Personal vor Ort entscheidet, ob eine Person spenden darf oder nicht. Menschen mit einem Risiko für bestimmte Infektionskrankheiten dürfen beispielsweise vorläufig ausgeschlossen werden. Das wird durch das Ausfüllen eines Fragebogens sichergestellt. Außerdem waren noch bis Oktober 2017 Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) von der Blutspende ausgenommen. Im September 2021 wurde nun eine überarbeitete Fassung der Hämotherapierichtlinie veröffentlicht. Demnach dürfen schwule und bisexuelle Männer Blut spenden, wenn sie in einer dauerhaften monogamen Beziehung leben. Im Januar 2023 hat das Bundesgesundheitsministerium eine Änderung des Transfusionsgesetzes für April 2023 angekündigt. Sie sieht vor, dass die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität für die Bewertung des sexuellen Risikoverhaltens keine Rolle mehr spielen. Ein Ausschluss von der Blutspende betrifft dann nur noch Personen mit häufig wechselnden Sexualpartner*innen, wodurch die gruppenbezogene Diskriminierung vermieden werden soll. Doch auch Menschen mit Behinderungen, bei denen keine Vorerkrankung gegen eine Blutspende spricht, wurden in der Vergangenheit daran gehindert, Blut zu spenden, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Diskriminierung behinderter Menschen beim Blutspenden?

In seiner Kolumne bei Die Neue Norm schildert Leon Amelung zum Beispiel, wie der zuständige Arzt ihm zunächst Fragen zu seiner Schulbildung stellt, die mit der Blutspende nichts zu tun haben, und ihn dann von eben jener ausschließt. Auch Menschen mit Sehbehinderung berichten von fadenscheinigen Ablehnungen beim Versuch, Blut zu spenden, weil sie den geforderten Fragebogen angeblich nicht selbst ausfüllen können. Dabei ist dies keine Frage des Könnens, sondern eine Frage der Barrierefreiheit. Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen berichtete erst kürzlich von solch einem Fall. Zwei sehbehinderte Frauen wurden zunächst ohne Begründung von der Ärztin im Blutspendezentrum abgewiesen. Später teilte man ihnen mit, sie seien nicht in der Lage, die geforderten Dokumente selbst auszufüllen und zu lesen. Außerdem sei das Risiko für Schwindel oder Stolpern nach der Blutspende für Menschen mit Sehbehinderungen höher. Da es sich um einen privaten Träger handelte, durfte das Blutspendezentrum seine eigenen Kriterien festlegen. Der Ausschluss war also rechtlich vertretbar, ist aber in der Praxis diskriminierend. Schließlich werden hier Personen strukturell, durch Barrieren und wegen falsch eingeschätzter Fähigkeiten ausgeschlossen. Dies verdeutlicht auch ein Fall aus Regensburg, über den die Süddeutsche Zeitung im August 2021 berichtete. Ein Mann mit Lernschwierigkeiten durfte kein Blut spenden, was der Arzt damit begründete, dass er unter gesetzlicher Betreuung steht. Diese Aussage wurde später zurückgenommen, die Ablehnung war dennoch rechtens. Der Arzt hatte scheinbar den Eindruck, dass der Mann die Grundzüge der Blutspende nicht verstand.

Was sind eure Erfahrungen mit dem Blutspenden? Füllt das Formular aus.

Rechtliche Situation

Die von der Bundesärztekammer veröffentlichte Hämotherapie-Richtlinie legt genaue Kriterien für den Ausschluss oder die Rückstellung von Spender*innen fest. Dazu zählen beispielsweise bestimmte Infektionskrankheiten, Aufenthalte in Risikogebieten, aber auch kosmetische Eingriffe oder eine Schwangerschaft. Körperliche Behinderungen oder Lernschwierigkeiten werden darin nicht erwähnt. Eine Behinderung spricht also nicht prinzipiell gegen eine Blutspende. Die Personen in den vorgestellten Beispielen sind an der individuellen Beurteilung durch das medizinische Personal gescheitert. Dieses muss anhand des Gesamteindrucks entscheiden, ob jemand dazu fähig ist, Blut zu spenden. Und auch private Träger dürfen ihre eigenen Kriterien festlegen. Es kann also sein, dass jemand aufgrund einer Behinderung bei einem Träger grundsätzlich nicht spenden darf, während sie bei anderen Trägern kein Problem darstellt. Auch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) greift in diesen Fällen nicht, da es sich – so schätzt es das Antidiskriminierungsbüro Sachsen ein – bei der Blutspende nicht um ein Alltagsgeschäft handelt.

Was sind eure Erfahrungen beim Blutspenden?

Wir fragen uns, ob es sich hier um Einzelfälle handelt, oder ob ein Großteil der Menschen mit Behinderung schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Deshalb wollen wir von euch wissen:

  • Konntet ihr in der Vergangenheit Blut spenden oder wurdet ihr von der Spende ausgeschlossen?
  • Hat das medizinische Personal euch vor Ort erklärt, warum ihr nicht spenden dürft?
  • Hat man euch beim Ausfüllen des Fragebogens geholfen, falls nötig, oder konnte eine Begleitperson unterstützen?

Bitte teilt eure Erfahrungen, egal ob positiv oder negativ, mit uns! Klickt einfach auf den Button und füllt das Formular aus. Teilt diesen Aufruf auch gerne in euren Netzwerken, damit möglichst viele Menschen davon erfahren und mitmachen.

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