
Foto: Henning Schacht
Berlin (kobinet) Zum ersten Mal seit der "Corona-Pandemie“ findet heute am 27. Januar wieder eine öffentliche Kranzniederlegung am Gedenk- und Informationsort T4 um 11:25 Uhr in der Berliner Tiergartenstraße 4 statt. Begleitet wird die Kranzniederlegung von Mariano Domingo (Klarinette), Leiter von Werkstatt Utopia von KulturLeben Berlin. Im Anschluss um 12:30 Uhr findet im Foyer der Berliner Philharmonie eine Lesung mit Helga Schubert statt. Die Autorin und Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin wird anlässlich des Gedenktages aus ihrem Buch "Die Welt da drinnen“ lesen. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel lädt zu dieser öffentlichen und barrierefreien Gedenkveranstaltung ein, denn das gemeinsame und inklusive Gedenken ist ihm ein besonderes Anliegen.
„Die Erinnerung an die Opfer der ‚Euthanasie‘-Verbrechen im Nationalsozialismus darf nie verlorengehen. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Aber auch für unser Miteinander heute ist eine gelebte Erinnerungskultur von großer Bedeutung. Denn auch heute erleben Menschen mit Behinderungen Ausgrenzung und Abwertung. Und wir alle stehen in der Verantwortung, für unsere demokratischen Werte und für Mitmenschlichkeit einzutreten“, erklärte Jürgen Dusel im Vorfeld der Veranstaltung.
Im Zuge der sogenannten Aktion T4 wurden mehr als 70.000 Morde an Patient*innen aus Heil- und Pflegeanstalten verübt. Insgesamt wurden in Einrichtungen des Deutschen Reichs 200.000 Menschen in verdeckten Aktionen ermordet. Sie wurden vergast oder durch Medikamente getötet. An ihnen wurden medizinische Versuche verübt oder sie wurden „Hungerbehandlungen“ unterzogen. Alles aus Sicht der Nationalsozialisten „Lebensunwerte“ sollte vernichtet werden. Europaweit wird von 300.000 Tötungen ausgegangen. Hinzu kommen 400.000 Opfer von Zwangssterilisierungen, heißt es in der Presseinformation von Jürgen Dusel zum heutigen Gedenken.
„Solche grausamen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen sich keinesfalls wiederholen“, betont die Vorsitzende des Sprecher*innenrats des Deutschen Behindertenrats, Dr. Sigrid Arnade, die heute einen Kranz an der Gedenkstätte niederlegen wird. „Wir werden die Opfer nicht vergessen und die Gesellschaft immer wieder daran erinnern, wohin die Abwertung von Menschen, die nicht einer vorgegebenen Norm entsprechen, letztlich führen kann“, verspricht Sigrid Arnade. In Zeiten sich verschärfender gesellschaftlicher Spannungen und eines erstarkenden Rechtspopulismus weltweit sieht der DBR lange Zeit sicher geglaubte demokratische und menschenrechtliche Prinzipien in Gefahr. „Wir alle sind aufgerufen, uns tagtäglich gegen Ungerechtigkeiten und Angriffe auf das Leben und die Würde von Menschen einzusetzen“, so Arnade. „Nur auf diesem Weg kommen wir unserem Ziel einer inklusiven vielfältigen Gesellschaft näher. Als DBR werden wir nicht müde werden, dafür zu kämpfen, dass sich das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte nicht wiederholt.“