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Trauer um Dr. Ilja Seifert

Dr. Ilja Seifert
privat
Foto: privat

Berlin (kobinet) Wer in der bundesdeutschen Behindertenpolitik aktiv ist, der stieß in den letzten 30 Jahren früher oder später auf Dr. Ilja Seifert, bzw. dieser stieß auf ihn oder sie. Am 10. September 2022 ist der Behindertenrechtler und langjährige Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion 71jährig verstorben. Dass er sich gut auf seinen Tod vorbereitet hatte, zeigt u.a. ein Gedicht, das heute von ihm auf Facebook zum Abschied veröffentlicht wurde.



Am 11. September wurde folgendes Gedicht auf der Facebookseite von Dr. Ilja Seifert veröffentlicht:

„Liebe Facebook-Freundinnen und -Freunde,

mit einem Gedicht von mir möchte ich mich von Euch verabschieden:

DIE ALPEN SIND

Nicht für mich gefaltet. Berge

Verweigern

Dem Rollstuhl

Den Weg. Aufwärts

Nicht anders

Als abwärts. – Trotzdem

War ich da.

Venedig ist

Nicht für mich gebaut. Kanäle

Tragen

Den Rollstuhl

Nicht. Und viele Brücken

Sind stufig. – Dennoch

War ich da.

Freunde

Traf ich und

Weniger

Erfreute. Die Welt ist

Nicht eingestellt

Auf mich, auf

Meine Lebensweise. – Aber

Ich

bin

da!

DR. ILJA SEIFERT

06.05.1951 – 10.09.2022″

Link zur Facebookseite von Dr. Ilja Seifert

Zum Lebensweg von Dr. Ilja Seifert heißt es auf Wikipedia u.a.: „Ilja Seifert ist seit einem Badeunfall 1967 querschnittgelähmt. Nach dem Abitur 1970 an der Sonderschule für Körperbehinderte in Birkenwerder absolvierte er ein Studium der Germanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin, welches er 1975 als Diplom-Germanist beendete. Anschließend war Seifert wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1980 erfolgte hier seine Promotion zum Dr. phil. mit der Arbeit Vom Leben dreier Zeitschriften, Arbeiter-Literatur (1924), Die Neue Bücherschau (1919–1929), Die Linkskurve (1929–1932) – auf dem Wege zur Profilierung der journalistischen Front der KPD in den kulturpolitischen und ästhetischen Klassenkämpfen der Weimarer Republik. Danach war er von 1981 bis 1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Haus für Kulturarbeit in Berlin. Seifert war 1990 Gründungspräsident des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland Für Selbstbestimmung und Würde e. V. und war von 1999 bis Juli 2011 Vorsitzender des Berliner Behindertenverbandes (BBV). Seit 1995 ist Seifert Partner des Sachverständigenbüros Barrierefreies Leben Seifert & Schröder in Berlin. Darüber hinaus hat er mehrere Lyrikbände – zum Teil gemeinsam mit Christian Schröder veröffentlicht.“

Dr. Ilja Seifert wirkte vor allem auf politischer Ebene unermüdlich für die Gleichstellung und Selbstbestimmung behinderter Menschen. Von März – Oktober 1990 war er Mitglied der frei gewählten Volkskammer der DDR. Von Oktober – Dezember 1990 war er Mitglied des 11. Deutschen Bundestages. Von 1990-1994 wirkte er ebenfalls als Mitglied des 12. Deutschen Bundestages. 1998 – 2002 wurde er erneut Mitglied des 14. Deutschen Bundestages und von 2005 – 2013 war er erneut Mitglied des 16. und 17. Deutschen Bundestages. Dabei mischte er sich stets engagiert u.a. in behindertenpolitische Fragen ein. Am 5. Mai diesen Jahres war Dr. Ilja Seifert noch als Redner zum Auftakt der Demonstration zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen am Brandenburger Tor mit dabei.

Lesermeinungen

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2 Lesermeinungen
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Hubertus Thomasius
12.09.2022 17:37

Wir kommen der Bitte nach, mitzuteilen:

Ilja Seifert hat nicht nur die Linkspartei behindertenpolitisch geprägt wie kaum ein anderer und Inklusion verkörpert. Für uns war er Inspiration und Mentor zugleich, um uns partei- und behindertenpolitisch zu engagieren. DIE LINKE hat ihm viel zu verdanken; verliert einen versierten Fachmann, Genossen und wir einen Freund.
Danke Ilja.
Kämpfer, Förderer und Ermutiger.
Was Du hinterlässt, lebt mit uns weiter.
Im Gedenken und Respekt
Uwe Wypior und Ira Kromm
Marianne König und Klaus – Wilhelm Depker

Uwe Heineker
11.09.2022 17:16

Mit Bestürzung und Trauer nahm ich von Iljas Tod Kenntnis. Ich lernte ihn 1990 kennen, als er als Mitglied der Volkskammer der DDR zu Besuch in Bonn war und mit seinem Dienstfahrzeug zu seiner Unterkunft mit fuhr, um dort mit ihm weiter zu diskutieren. Es folgten seitdem viele Gespräche mit ihm. Meine Hochachtung für seinen politischen Einsatz für Menschen mit Behinderung. RIP!