Menu Close

Triage – oder soll am Ende das Los entscheiden?

Symbol Fragezeichen
Symbol Fragezeichen
Foto: ht

Kassel (kobinet) Auch wenn in Deutschland im Vergleich zu einigen anderen Ländern noch viele intensivmedizinische Plätze zur Verfügung stehen, ist bei die mit der Corona-Krise verbundene ethische Diskussion schon angekommen. Wer wird am Ende versorgt, wenn es nicht für alle reicht? Eine Diskussion, die viele Fragen aufwirft, viele Ängste auslöst und höchst diskriminierenden Charakter für die Praxis haben kann. Behindertenverbände haben mittlerweile auf ein Papier der Fachgesellschaften kritisch reagiert. ZEIT ONLINE titelt in einem Gastbeitrag von Tonio Walter vom 2. April: "Lasst das Los entscheiden!" und grieft einige kritische Aspekte auf.

„Womöglich werden auch deutsche Ärzte bald entscheiden müssen, wer leben darf. Der Ethikrat rät rechtlich Zweifelhaftes, der Staat schweigt. Es gibt nur eine faire Lösung“, heißt es in der Einführung des Beitrags von Tonio Walter in ZEIT ONLINE. Zum Schluss des Beitrages heißt es: „Leicht ist aufzuzählen, was alles keine Rolle spielen darf. Etwa die ’sozialen Kriterien‘ in den Empfehlungen der Fachverbände. Denn unstreitig wäre es verfassungswidrig, jemanden sterben zu lassen, weil er den falschen Beruf hat oder kinderlos ist. Noch deutlicher gilt das für jene Eigenschaften, für die es ausdrückliche Diskriminierungsverbote gibt, etwa Geschlecht und Religion.“

Link zum vollständigen Beitrag in ZEIT ONLINE

In Zeiten wie diesen zeigt sich also wieder einmal, wie wichtig der Erfolg der Behindertenbewegung von 1994 ist, als damals das Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen ins Grundgesetz mit aufgenommen wurde. Es zeigt sich aber auch, wie wichtig es ist, sich in diese Diskussion einzumischen, wie dies beispielsweise AbilityWatch mit einer frühen Stellungnahme getan hat. Dazu berichteten die kobinet-nachrichten am 31. März 2020: „Am 25. März verabschiedeten sieben verschiedene Fachgesellschaften gemeinsam Handlungsempfehlungen bezüglich der Zuteilung von Ressourcen in der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Sie soll Ärzt*innen und Mediziner*innen Orientierung bei der Frage geben, welche Patienten lebensrettende Behandlungen erhalten sollen und welche nicht, falls die Kapazitäten nicht für alle Patient*innen ausreichen. AbilityWatch ist empört über das Verhalten der Fachgesellschaften und kritisiert die aufgestellten Kriterien als medizinisch pauschalisiert und als rechtlich unhaltbar.“

Link zum kobinet-Bericht über die Stellungnahme von AbilityWatch

Die Selbstvertretungsorganisationen NETZWERK ARTIKEL 3 (NW3) und die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) fordern:

• Behinderung darf kein Kriterium bei Priorisierungs-Entscheidungen sein

• Rasche Intensivierung der Kapazitäten in der Notfallmedizin, um möglichst keine Priorisierungs-Situationen entstehen zu lassen

• Keine Verwendung veralteter und diskriminierender Instrumente bei Entscheidungsfindungen

• Menschenrechtliche Basierung von medizinisch-ethischen Empfehlungen

• Berücksichtigung und Diskussion internationaler Empfehlungen zu COVID-19, etwa der International Disability Alliance (IDA), des Europäischen Behindertenforums (EDF)

• Breite gesellschaftliche Diskussion und Einbeziehung der Betroffenen und ihrer Organisationen bei allen Maßnahmen und Empfehlungen zu COVID-19

• Erarbeitung von Empfehlungen, die durch demokratisch legitimierte Mandatsträger*innen verantwortet werden.“

Link zum kobinet-Bericht über die Stellungnahme des NW3 und der ISL

„Risikogruppe: Menschen mit Behinderung in Corona Zeiten – Was wir jetzt tun müssen“, so lautet der Titel einer Online-Diskussion, zu der die Grünen-Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Katrin Langensiepen, für heute, Freitag, den 3. April von 15:30 bis 17:00 Uhr einlädt. Mit dabei sind Julia Probst und Corinna Rüffer.

Link zur Ankündigung der Online-Diskussion

Link zu den kritisierten Empfehlungen der Fachgesellschaften