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Heimbewohner*innen werden zu Mieter*innen

Bild vom Plenum der Veranstaltung
Bild von der Veranstaltung
Foto: Ingrid König ZsL Mainz

Mainz (kobinet) Zum 1. Januar 2020 tritt die große Reform der Eingliederungshilfe in Kraft, die mit dem Bundesteilhabegesetz Ende 2016 verabschiedet wurde. Dies war Anlass genug für das Mainzer Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (ZsL) und die dort ansässige ergänzende unabhängige Teilhabeberatungsstelle (EUTB) die anstehenden Änderungen im Rahmen einer großen Tagung im Erbacher Hof in Mainz zu erörtern. Der für Soziales zuständige Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Sozialministerium Joachim Speicher brachte die Zielrichtung der geplanten Veränderungen während der Tagung mit dem Titel "Eingliederungshilfe 2020 - große Veränderungen für Menschen mit Behinderungen" auf den Punkt: "Aus Heimbewohnern werden Mieter".

Der Saal im Erbacher Hof in Mainz war mit den rund 130 Teilnehmer*innen rappelvoll. Und es hätten gut doppelt so viele sein können, denn beim ZsL Mainz sind ca. 250 Anmeldungen für diese Tagung eingegangen, so dass am 3. Dezember eine Folgeveranstaltung im rheinland-pfälzischen Sozialministerium geplant ist. Und entgegen zu so mancher Veranstaltung zum Bundesteilhabegesetz waren sehr viele selbst betroffene behinderte Menschen anwesend. Und dies machte es nicht gerade einfacher, die zum Teil sehr komplizierten Regelungen, die im Bundesteilhabegesetz beschlossen wurden, so zu erklären, dass sie beispielsweise auch von Heimbewohner*innen verstanden werden.

So waren die praktischen Dinge auch von großem Interesse. Man braucht nun ein eigenes Konto, das bei einer Bank eröffnet werden muss. Es gibt zukünftig eine Bedarfsermittlung, bei der geschaut wird, was der Mensch braucht und welche Hilfen er bekommt. Verträge müssen geschlossen werden und man muss gut überlegen, was man will. Denn die Wünsche und Bedarfs der Betroffenen selbst sollen zukünftig eine entscheidende Rolle bei der Leistungserbringung spielen. Personenzentrierung nennt man dies, wie bei im Plenum und in den Arbeitsgruppen deutlich wurde. Und genau hier passt die Zielrichtung, die Joachim Speicher vom rheinland-pfälzischen Sozialministerium vorgab. „Heimbewohner werden zukünftig Mieter“. Denn der ganze bürokratische Aufwand werde u.a. gemacht, damit behinderte Menschen zukünftig mehr selbst bestimmen können, wie sie leben möchte und welche Unterstützung sie wie annehmen können.

Dass es dabei auch für die EUTBs eine ganze Menge zu tun gibt, das wurde während der Veranstaltung auch deutlich. Behinderte Menschen sollten sich gut auf die Bedarfsermittlung vorbereiten. Diese könne zum Teil sehr ermüdend sein, so dass man gut wissen müsse, was man will. Auch der Abschluss der Verträge mit Leistungserbringern soll wohl überlegt werden, denn vielleicht will man gar nicht alle Mahlzeiten in der Einrichtung einnehmen, sondern mal Pizza Essen gehen. Und da ist dann auch der Barbetrag. Die bisher ca. 115 Euro, die behinderten Menschen zur eigenen Verfügung verbleiben müssen, sind zukünftig so nicht mehr festgeschrieben. Daher gilt: Aufgepasst bei Verträgen und Verhandlungen, dass am Ende nicht weniger im Geldbeutel bleibt und die richtige Unterstützung gefunden werden kann.

Einig war man sich darin, dass es darum geht, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen und die Teilhabe behinderter Menschen zu stärken – und genau deshalb gilt es in den nächsten Monaten besonders aufzupassen, dass die behinderten Menschen selbst bei all den bürokratischen Prozessen nicht unter die Räder kommen.