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Sommerpause des Bundestages beendet

Plenum des Deutschen Bundestages
Bundestag
Foto: public domain

Berlin (kobinet) Die Schulferien sind zu Ende, das Wetter hat auf Herbst umgestellt und entgegen den britischen Parlamentskolleg*innen, denen nach der Sommerpause eine Zwangspause verordnet wurde, sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nun wieder voll im Einsatz. Neben den Beratungen zum Haushalt stehen im Herbst für die Abgeordneten auch einige behindertenpolitische Fragen auf der Tagesordnung des Parlaments.

Während einigen Abgeordneten noch die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen in den Knochen stecken dürften und sich die SPD mit einer Vielzahl von Veranstaltungen auf die Suche nach neuen Parteivorsitzenden macht, werden die Bundestagsabgeordneten in den kommenden Wochen in vielerlei Fragen Farbe bekennen müssen. Auch wenn die Frage nach der schwarzen Null, bzw. nach mehr Investitionen, oder die Maßnahmen zum Klimaschutz im Fokus der öffentlichen Berichterstattung stehen dürften, stehen im Herbst einige Entscheidungen an, die gerade für behinderte Menschen und ihre Angehörigen von großer Bedeutung sein dürften.

Bereits vom Bundeskabinett beschlossen, liegt den Abtgeordneten das Angehörigen-Entlastungsgesetz vor. Dabei geht es nicht nur darum, ob Angehörigen von älteren und behinderten Menschen, die Unterstützung brauchen, zukünftig nur noch bei höherem Einkommen herangezogen werden. In das Gesetzespaket wurde beispielsweise auch die Verlängerung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB) über das Jahr 2022 hinaus aufgenommen. Das Budget für Ausbildung wurde ebenfalls in dieses Gesetzespaket gepackt. Und in knapp vier Monaten treten wichtige Änderungen bei der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz in Kraft. Auch da gilt es noch einige Probleme zu lösen und dafür zu sorgen, dass bei den Betroffenen nicht nur mehr Bürokratie, sondern vor allem mehr Selbstbestimmung und Teilhabe ankommt.

Und dann ist da nun das Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz (RISG), das zwar noch von der Bundesregierung als Referentenentwurf beraten wird, also das Parlament noch gar nicht erreicht hat, aber schon kräftige Wellen wegen der geplanten Einschränkung eines selbstbestimmten Lebens beatmeter Menschen schlägt. Heute wird dazu wieder vor dem Bundesgesundheitsministerium demonstriert, bevor dort morgen die Anhörung der Verbände zum Referententwurf stattfindet.

Wäre nicht der aus dem Bundesgesundheitsministerium stammende Entwurf der Bundesregierung für das Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz (RISG) mitten in die Sommerpause geplatzt, hätte man glauben können, dass es ein parlamentarischer Herbst wird, in dem die Behindertenpolitik in Deutschland gerade vor der zweiten Staatenprüfung zur UN-Behindertenrechtskonvention durch die Vereinten Nationen entscheidend weiterentwickelt werden könnte. Doch spätestens seit dem 14. August, als der Referentenentwurf die Verbände erreichte, herrscht in Deutschland wieder eine Stimmung, in der behinderte Menschen alles aufbieten müssen, um erneute Angriffe auf ihre Menschenrechte abzuwehren. Wie anders soll man es sonst verstehen, wenn in einem Referentenentwurf der Bundesregierung geschrieben wird, dass die Unterstützung beatmeter Menschen zukünftig nur noch in Ausnahmefällen in den eigenen vier Wänden stattfinden soll. Dabei ist es egal, ob es um die Unterstützung von 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche oder um weniger Unterstützung geht. Dass es hier um eine generelle Menschenrechtsfrage geht, macht nicht nur die breite Unterstützung einer Petition von bereits über 110.000 Menschen deutlich, die gegen die Pläne der Bundesregierung vor vier Wochen gestartet wurde.

Aktivist*innen und Verbände der Behindertenbewegung sind nun also vollauf mit den unakzeptablen Plänen des Bundesgesundheitsministeriums beschäftigt, während im Bundestag wohl wieder Chancen vertan werden. Denn bei der derzeitigen Aufregung wird kaum gefragt, warum Angehörige bei der Anrechnung ihres Einkommens bis zu 100.000 Euro pro Jahr entlastet werden können, behinderten Menschen selbst eine solche Einkommensgrenze aber weiterhin verweigert wird. Die nötige Diskussion für die Abschaffung des Mehrkostenvorbehalts, der die Selbstbestimmung behinderter Menschen massiv bedroht, wird ebenfalls nur am Rande geführt und die Abschaffung des im Bundesteilhabegesetz verankerten Zwangspoolen von Leistungen steht auch kaum zur Diskussion. Ob das Budget für Ausbildung, wie es derzeit vorgesehen ist, wirklich greift, wenn die Rahmenbedingungen für eine Ausbildung so eng gefasst wird, beschäftigt auch kaum, genauso, wie das Budget für Arbeit weiterentwickelt werden müsste, damit es nicht nur einige wenige nutzen. Ein Schelm, der vermuten würde, dass da keine Strategie dahintersteckt.

Man darf also gespannt sein, was die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in diesem Herbst tun werden, um die Menschenrechte behinderter Menschen zu verteidigen und die Behindertenpolitik in diesem Sinne umzugestalten. Bisher hörte man da hauptsächlich erste Stimmen aus der Opposition – aber es war ja Sommerpause.