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Reaktionen auf Kabinettsbeschluss zum Angehörigen-Entlastungsgesetz

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Foto: kobinet

Berlin (kobinet) Nachdem das Bundeskabinett heute den Gesetzentwurf für ein Angehörigen-Entlastungsgesetz beschlossen und damit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur weiteren Beratung weitergeleitet hat, haben sich eine Reihe von Verbänden mit ersten Stellungnahmen zum Gesetzentwurf zu Wort gemeldet.

Die Kritik der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) an dem Gesetzentwurf bezieht sich einerseits auf die fehlende Entlastung der Betroffenen: „So sehr wir die Entlastung der Angehörigen begrüßen, so wenig können wir verstehen, dass nicht auch finanzielle Erleichterungen für die Betroffenen vorgesehen sind. Schließlich hat der UN-Fachausschuss in seinen abschließenden Bemerkungen von 2015 gefordert, dass behinderte Menschen in der Lage sein müssen, einen vergleichbaren Lebensstandard zu realisieren, wie Menschen ohne Behinderungen mit einem vergleichbaren Einkommen. Das ist nicht der Fall solange teils erhebliche Zuzahlungen zu behinderungsbedingten Leistungen von den Betroffenen zu erbringen sind.“ Desweiteren verweist die ISL u.a auf die vertane Gelegenheit, die völkerrechtswidrigen Bestimmungen aus dem SGB IX zu eliminieren. Dabei kritisiert die ISL u.a., dass der menschenrechtswidrige Mehrkostenvorbehalt nicht aufgehoben werden soll und dass das Zwangspoolen nach wie vor die Selbstbestimmung behinderter Menschen bedroht.

Auch das Netzwerk für Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung und Assistenz (NITSA) legt den Finger in die Wunde, was die nicht vorgeshene Entlastung von Betroffenen angeht, die Assistenz und Leistungen erhalten: „Für Angehörige soll eine Einkommensgrenze von 100.000 Euro gelten, bei  Menschen mit Behinderungen soll es hingegen bei der Einkommensgrenze  von knapp 30.000 Euro bleiben. Dies ist Menschen mit Behinderungen nicht vermittelbar. Eine Wertschätzung der Leistung von Menschen mit Behinderungen ist das definitiv nicht. Aufgrund des  Gleichbehandlungsgebots muss der Gesetzesentwurf entsprechend  nachgebessert werden“, kritisiert die Organisation. 

Angehörige von Pflegebedürftigen sind nach Ansicht des Sozialverband Deutschland (SoVD) zunehmend von Armut bedroht. Für sie sei es ein Silberstreifen am Horizont, wenn die Bundesregierung das Angehörigen-Entlastungsgesetz auf den Weg bringt, wie der SoVD-Präsident Adolf Bauer anlässlich des heutigen Beschlusses des Gesetzes im Bundeskabinett betont. „Jedoch ist eine umfassende Reform erforderlich, damit die steigenden Armutsrisiken der rund 2,5 Millionen pflegenden Angehörigen in Deutschland spürbar begrenzt werden können. Ziel sollte eine Pflegevollversicherung sein, die Pflegerisiken solidarisch absichert. Zudem müssen die überfälligen Reformen bei der Finanzierung angegangen werden. Insbesondere eine Pflegebürgerversicherung und Steuerzuschüsse für versicherungsfremde Leistungen gehören auf die Agenda“, fordert SoVD-Präsident Adolf Bauer. Um verlässliche Zahlen zur Armut privat pflegender Angehöriger zu erhalten, hat der SoVD ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dessen Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet. Auf ihrer Grundlage will der Verband zielgerichtete Hilfsmaßnahmen vorschlagen.

Als sinnvolle und überfällige Maßnahme begrüßt der Paritätische Gesamtverband das geplante Angehörigen-Entlastungsgesetz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Damit werde eine alte Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sowie der Behindertenverbände umgesetzt. „Das ist nicht nur eine notwendige, finanzielle Entlastung, sondern auch eine überfällige Wertschätzung von Menschen, die pflegebedürftige Angehörige haben“, erklärt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen profitieren unmittelbar. Nach Angaben des Ministeriums würden die Angehörigen von rund 275.000 Leistungsbezieher*innen erreicht. Darüber hinaus verschaffe die Regelung weitere Gerechtigkeit, denn die Selbstbeteiligungsgrenze gelte bereits bei älteren und bei erwerbsgeminderten Angehörigen. „Dass hier gleichgezogen wird, ist gerecht und nur konsequent“, betonte Ulrich Schneider. Außerdem sieht der Gesetzentwurf Verbesserungen für Menschen mit Behinderung vor, die in Werkstätten arbeiten, von denen nach Angabe des Paritätischen Gesamtverbandes viele seiner Mitglieder mit Behinderteneinrichtungen profitieren würden.